„Es eilt.“ SPD ist noch unentschieden

■ Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, plädiert für eine Streichung der Opferrenten von Tätern. SPD erhält letzte Bedenkzeit

taz: Eine Gesetzesänderung, die von den Fraktionen der Regierungskoalition und den Bündnisgrünen gemeinsam getragen, aber von der SPD nicht unterstützt wird, ist etwas sehr Ungewöhnliches. Wie kommt es dazu?

Volker Beck: Wir haben wiederholt Anträge zum Thema Versorgungsrenten für Kriegsverbrecher in den Bundestag eingebracht. Nach einem Beitrag im Fernsehmagazin „Panorama“ ist dann auch die Koalition parlamentarisch initiativ geworden. In Verhandlungen haben wir gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung einige wesentliche Verbesserungen durchsetzen können, so zum einen die Streichung von bereits gewährten Renten an Kriegsverbrecher und die Überprüfung aller Rentenbescheide nach dem Bundesversorgungsgesetz von freiwilligen Mitgliedern der SS. Die generelle Rentenstreichung bei allen Freiwilligen der SS war allerdings nicht durchsetzbar.

Bedeutet das, daß der als Kriegsverbrecher verurteilte Heinz Barth keine Rente mehr wegen seiner Kriegsverletzung bekommt?

Gerade dieser Fall hat dazu geführt, daß die Koalition eingesehen hat, daß es nicht zumutbar ist, wenn Gerichte solchen verurteilten Kriegsverbrechern Opferrente zusprechen müssen. Seine Rente wird sicher gestrichen werden.

Wie würden Sie reagieren, böte sich die SPD zusätzliche Beratungszeit aus, um sich dem gemeinsamen Änderungsantrag von Regierungsfraktionen und Bündnisgrünen anzuschließen?

Es eilt. Aber selbstverständlich: Wenn Chancen bestehen, daß die SPD den Antrag mitträgt, dann sollte man ihr auch noch eine weitere Sitzungswoche Beratungszeit zugestehen. Ihre bisherige Position in der Debatte stellt einen Bruch mit der antifaschistischen Position der Partei dar.

Viele Täter sind inzwischen tot, können also nicht mehr rechtskräftig verurteilt werden. Wäre es denn unter diesen Umständen der geplanten Gesetzesänderung zufolge überhaupt möglich, Hinterbliebenen die Rente zu streichen?

Ja, weil in dem Gesetz nicht auf eine Verurteilung abgestellt wird, sondern auf einen individuellen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Die Rentenbehörde muß aufgrund der Aktenlage prüfen, ob sie dafür Beweise hat und die gegebenenfalls auch vor dem Sozialgericht gegenüber den Anspruchsberechtigten vertreten können.

Sind nicht Fälle denkbar, wo 52 Jahre nach Kriegsende der Entzug der Rente für eine Witwe eine unbillige Härte darstellt?

Das muß die Rentenbehörde jeweils im Einzelfall abwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, in welcher Beziehung auch die Hinterbliebene zum Nationalsozialismus und seinen Verbrechen stand und ob der Vertrauensschutz höher zu bewerten ist, wenn zum Beispiel eine Witwe von den Verbrechen ihres Mannes keinerlei Kenntnis hatte. Interview: Bettina Gaus