Der Strick ist wenig reißfest

■ McKinsey und kein Ende! Gestern agitierten die Personalräte gegen den Feind

Wenn zur Zeit irgendwo viele Mundwinkel tief hängen, sich Stimmen und Stimmungen müde dahinschleppen und die kleinen Zynismen am Rande, die das Leben lebenswert machen, keine Lacher mehr ernten, dann ist mit Sicherheit McKinsey der Grund des ungemütlichen Beisammenseins. Den erfolgreichen Unternehmensberatern ist es mit bemerkenswerter Gründlichkeit gelungen, die kompletten Belegschaften sämtlicher Kulturinstitutionen gegen sich aufzubringen. Dabei wäre es doch so wichtig gewesen, alle Beteiligten an der Neustrukturierung zu motivieren und mit schillernden Visionen einer zwar ärmeren, aber schöneren Zukunft zu versorgen. Zumindest wurde es so auf jenen wie Pilze aus dem Boden schießenden Gesprächsforen zum Unthema dutzendweise repetiert. Selbst im MkKinsey Gutachten soll es genau so drinstehen. Nur mit der Umsetzung hapert es. Vielleicht sollte sich MkKinsey mal unternehmensberaten lassen. So haben wir also Reform, und keiner geht hin. Daß McKinsey es nicht mal zuwege brachte, den Betroffenen das Schlußgutachten vorzulegen, erwies sich als klimaverdüsternd. Ungeschickt? „Absicht“, meinen viele. „Wenn wir durchblicken, dann soll alles schon entschieden sein.“

Bei dem gestrigen Klageritual von Personalräten Bremer Kultureinrichtungen, kam im Prinzip nichts entscheidend Neues zur Sprache. Die Schwachpunkte des McKinsey-Gutachtens, zumindest was die Kultur anbelangt, zeichnen sich aber immer stärker ab, die Stoßrichtung der McKinsey-Gegner findet Kontur: Die Vorschläge seien alte Hüte; McKinsey arbeitete mit veralteten Daten, also schlampig; die Vergleiche mit anderen Städten seien unsauber.

Außerdem scheint McKinsey sein Rationalisierungskonzept bei der eigenen Arbeit ein wenig zu zielstrebig zu verfolgen. Auf völlig unterschiedliche Problemlagen wird mit exakt drei Antworten reagiert: Personaleinsparen, Privatisieren und Gebührenerheben. Welche Einsparung an Tinte, Speichelflüssigkeit und Hirnleistung. Alle von Berufswegen differenzierungsgeübten Menschen der Kultur allerdings nehmen solche Verfloskelungen komplexer Sachverhalte eher übel. Fragt man einen McKinseyaner, wie man einen Fahrradreifen repariert, wird er wohl antworten: na, mittels Gebührenerhöhung natürlich. So jedenfalls muß es den Mitarbeitern vom Staatsarchiv vorkommen. Die nämlich haben ganz einfach nichts im Angebot, worauf man Gebühren erheben könnte.

Auch mit dem Privatisierungsargument scheint McKinsey sehr ungenau um sich zu werfen. Zum Beispiel das Orchester. Natürlich rät McKinsey zur GmbH. Wie immer. Denn nur die private Rechtsform garantiere den notwendigen Willen zum Ertrag. An dem, so die Musiker, würde es nun gerade nicht mangeln. Das Orchester sei durch seine ständigen Pflichten so ausgebucht, daß es schlicht und ergreifend kaum Zeit hat, mit Konzerten außerhalb Bremens Geld zu verdienen. Und mit CD-Einspielungen hat es zwar Preise (z.B. vom Fonoforum) eingeheimst, aber eben nichts Bares. Ob den McKinsey-Leuten solche Grundsätzlichkeiten des CD-Marktes vertraut sind, muß angezweifelt werden.

Ist aber auch egal. Denn längst geht das Gerücht, daß die Stadt für 4,5 Millionen Mark überhaupt keinen fundierten Ratgeber orderte, sondern einen Sündenbock. Das Endziel Privatisierung sei vorgegeben gewesen. Für Zeiten wachsender Haushaltslöcher sei es nervenschonender, den allseitigen Mangel nicht in politischen Endlosdebattenzirkeln zu verwalten, sondern in nüchternen, zahlen- statt zielfixierten GmbHs. Und McKinsey soll's dann gewesen sein.

Besonders Spaß macht es , den Gegner mit den eigenen Waffen zu schlagen. So wird den Zahlenakrobaten der Vorwurf mangelnden betriebswirtschaftlichen Denkens gemacht. Statt mit fundierten Analysen des „Bremer Kulturmarktes“reelle Verdienstmöglichkeiten zu prognostieren, wird gebenchmarkt. Wieder erzählt das Staasarchiv wie's geht: Im Vergleich Personalkosten/Einwohnerzahl waren die Bremer supersparsam. Im Vergleich Personalkosten/Regalmeter dagegen floppen sie erbärmlich. Folge: Einsparmöglichkeiten von über einer Million Mark wurden diagnostiziert. Irgendwie ist den Leuten des Archivs aber schwer zu vermitteln, was ihre Dokumentierungspflichten zu tun haben mit laufenden Regalmetern. Abstauben tut nämlich noch immer die Putzfrau.

Übrigens muß die anteiligen Kosten für's Gutachten das Kulturressort innerhalb der nächsten 8 Jahre selber tragen. „Wir zahlen unseren eigenen Strick“, hieß es. Ein Zynismus, der zur Zeit keine Lacher erntet. Ob der Strick hält, ist eine andere Frage. Barbara Kern