Sprung in den Tod aus Angst vor Polizei

■ Illegaler Flüchtling sprang aus drittem Stock, als die Polizei die Wohnungstür aufbrach / Polizei spricht von einem „Unglücksfall“/ Menschenrechtsverein fordert „rückhaltlose Aufklärung“

Aus Angst vor der Bremer Polizei hat sich ein junger Togoer in den Tod gestürzt. Der junge Flüchtling hielt sich illegal in Deutschland auf und befürchtete festgenommen zu werden, als die Polizei in sein Fin- dorffer Wohnhaus eindrang. Aus Panik oder bei dem Versuch zu flüchten, sprang der Togoer Mitte Oktober aus dem Fenster seiner Wohnung im dritten Stock und verletzte sich schwer. Am Freitag starb der junge Mann auf der Intensivstation des St. Jürgen-Krankenhauses.

Der „Internationale Menschenrechtsverein Bremen“gingen mit dem Fall jetzt an die Öffentlichkeit. Die Menschenrechtler machen die Angst vor deutschen Behörden für den Tod verantwortlich. „Akim hatte Angst vor der Abschiebung, Angst vor der Polizei, Angst vor der Ausländerbehörde“, sagt ein Sprecher des Internationalen Menschenrechtsvereins. „Diese Angst hat einen realen Hintergrund. Viele Flüchtlinge müssen mit dieser Angst leben. Und das kann solche schlimmen Folgen haben.“

Am 16. Oktober war die Polizei in dem Haus Hemmstraße 102 in Findorff angerückt, um einen deutschen Nachbar von Akim festzunehmen. Akim wohnte mit dem Gesuchten auf einem Flur, sie hatten die gleiche Wohnungstür, aber verschiedene Appartement-Türen. Als niemand öffnete, drückten die Polizisten die Wohnungstür ein. Der Togoer fürchtete offenbar, daß der Einsatz ihm galt.

Ein Zeuge will gesehen haben, wie Akim im Fenstersims kauerte und dann 15 Meter in die Tiefe fiel. Die Polizei behauptet, seine Appartement-Tür nicht angerührt zu haben. Die Tür zu der Wohnung des Gesuchten habe offengestanden. Die Beamten seien erst auf den verletzten Togoer aufmerksam geworden, als er auf dem Gehweg lag.

Nach Informationen des Menschenrechtsvereins gibt es einen weiteren Zeugen, der beobachtet haben will, wie dem tödlich verletzten Togoer von den Beamten noch Handschellen angelegt wurden. Das allerdings bestreitet die Polizei. „Handschellen wurden ihm nicht angelegt, der Mann war bewußtlos“, sagt Polizeisprecher Walter. Ein Passant mit einem Handy habe den Notarzt verständigt. Daß der Mann aus Panik vor einer Abschiebung sprang, ist allerdings auch für den Pressesprecher plausibel. Walter redet von einem „Unglücksfall“. In einer ersten Presseerklärung Mitte Oktober hatte die Polizei noch hoffnungsfroh geschrieben, der Gesundheitszustand des Mannes habe „... sich mittlerweile stabilisiert.“

Ein ehemaliger Bewohner des Hauses Hemmstraße 102 berichtet von regelmäßigen Polizeikontrollen in dem Haus. Ungefähr einmal im Monat seien Beamte auf der Suche nach Ausländern aufgetaucht, die sich illegal im Land aufhalten. Doch das bestreitet Polizeisprecher Walter: „Eine besondere Häufung von Kontrollen in dem Haus kann ich nicht verzeichnen.“

Ob die Polizei wirklich versuchte, den Fall schnellstmöglich zu klären, ist unklar. So stehen die Personalien des Toten noch nicht zweifelsfrei fest. Seine Freunde in Deutschland nannten ihn Akim. In den Führungspersonalien indes heißt der Mann Muhammed und ist 1973 in Togo geboren. Nachdem er einen Asylantrag gestellt hatte, war der junge Mann untergetaucht. Gesicherte Erkenntnisse über den Hintergrund hat die Polizei noch nicht zusammentragen können. Bei dem Hergang des Sprungs verläßt man sich offenbar aber auf den Zeugen, der den Sprung von unten beobachtete. Die Kripo hatte nur festgestellt, daß die Appartement-Tür von innen verschlossen war.

Der Internationale Menschenrechtsverein fordert nun „... die restlose Aufklärung des Falles Akim durch eine unabhängige Kommission, da wir das Vertrauen in die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht haben...“Die Menschenrechtler fragen: „Welche Situation existiert in Deutschland und nun in Bremen für Flüchtlinge, daß es soweit kommen muß?“1983 hatte sich der türkische Asylbewerber Kemal Altun aus dem sechsten Stock des Berliner Verwaltungsgerichtes gestürzt, nachdem sein Asylantrag gescheitert war. Sein Tod löste damals eine Welle der Empörung aus. Christoph Dowe