Press-Schlag
: Verteilt Beutelratten auf den Pressetribünen!

■ Was, zum Teufel, soll uns das Bochumer 0:2 gegen den VfB Stuttgart bloß sagen? Nichts

An manchen Tagen geht es dem Sportreporter wie einem Schamanen, der sich durch das Betrachten der Innereien einer frisch erlegten Beutelratte Hinweise auf die Zukunft verspricht, um sie den Seinen mitzuteilen. Wo der Magier des Naturvolkes den Verschlingungen der Därme und der Größe von Leber und Milz Deutungswürdiges abzugewinnen sucht, folgt der Blick des Sportreporters dem Weg des Balles durch die Reihen von zwei Fußballmannschaften, um dabei deren innere Ordnung und äußere Verfassung zu ergründen.

Zunehmend drängt sich dabei allerdings der Eindruck auf, daß das schamanische Prinzip – immerhin schon manches Jahrtausend lang erprobt – dem Versuch, in einem Fußballspiel so etwas wie tieferliegenden Sinn zu finden, deutlich überlegen ist.

Was etwa sagt uns, daß der VfL Bochum dem VfB Stuttgart im Sonntagspiel der Fußball- Bundesliga mit 0:2 unterlag? Daß die bessere Mannschaft gewonnen und die schlechtere verloren hat? Daß Stuttgart glücklicher war – oder Bochum den Schwung des Sieges gegen Brügge nicht in die Bundesliga hinüberretten konnte? Daß es zwar so ausging, aber auch genau andersherum hätte ausgehen können? Alles richtig und alles falsch. Wie bitte, soll man da in die Zukunft schauen?

Was beweist die gute Leistung des VfL in der ersten Halbzeit, was die großartigen Paraden von VfB-Torwart Franz Wohlfahrt? Und was sagt es uns, daß einmal der Ball trotzdem fast im Tor landete, aber eben doch nicht ganz, sondern nur an die Innenseite des Pfostens klatschte? Zu welchen Aussichten kommen wir angesichts eines Spiels, daß irgendwann den Charakter eines torlosen Unentschiedens hatte und dann doch noch einen Sieger fand?

Sich nun zur weiteren Erforschung von Weg und Wesen einer solchen Partie an die daran Beteiligten zu wenden, ist auch ein Irrweg. Wissen doch jene über dessen Zustand auch nicht mehr als die tote Beutelratte darüber, wie es weitergeht. So wollte uns Joachim Löw erklären, daß es richtig war, den Konterstürmer Jonathan Akpoborie einzuwechseln, als beim Stand von Nullnull die Schlußphase des Spiels begann. Akpoborie schoß auch das entscheidende erste Tor, allerdings nicht nach einem Konter, sondern nach einem Freistoß. Danke, Joachim Löw!

Weil aber ein Kick zwischen zwei Mannschaften immer mit einem Ergebnis endet, dreht der schlaue Analyst den Spieß einfach um und argumentiert vom Ergebnis her. Das macht die Sache viel einfacher. Man sieht auch viel besser aus dabei, denn im Rückblick gewinnt doch immer alles eine wunderbare Folgerichtigkeit. Man holt routiniert die entsprechenden Argumentationsmodule aus dem Köfferchen (glücklos; die bekannten Schwächen bei Standardsituationen; stabile Abwehrleistung; mangelndes Spiel über die Flügel etc.) und orakelt dann etwas von schweren Zeiten, die bevorstehen, oder Kurven, die wieder aufwärts zeigen.

Vier Bier fürs Sägewerk? Oder was will uns VfL-Trainer Klaus Toppmöller sagen? Foto: AP

Und drei Wochen später stellt sich auch noch heraus, daß der Quatsch sogar stimmt. Manchmal. Aber manchmal eben auch nicht, weshalb auf Pressetribünen demnächst vielleicht nicht nur Mannschaftsaufstellungen, sondern auch noch geöffnete Beutelratten verteilt werden sollten. Christoph Biermann