■ Italien: Anti-Korruptions-Staatsanwalt drängt in die hohe Politik
: Di Pietro fühlt sich allmächtig

Zuerst die gute Nachricht: Der überwältigende Sieg des früheren Staatsanwalts Antonio Di Pietro bei der Nachwahl zum italienischen Senat zeigt, daß immer noch mehr als zwei Drittel der Bürger zum Kampf gegen die Korruption stehen. Das miserable Abschneiden des von Di Pietros Erzfeind Silvio Berlusconi höchstpersönlich ausgewählten Gegenkandidaten Giuliano Ferrara zeigt überdies, daß die Italiener Rache seitens der gebeutelten Schmiergeldzahler nicht mittragen. Die schlechte Nachricht: Nun hält sich Di Pietro endgültig für den Gesalbten des Herrn, und, schlimmer noch, für einen Politiker. Das aber könnte Italien alsbald zum Verhängnis werden.

So sympathisch der 46jährige ehemalige Gastarbeiter, ehemalige Polizist und ehemalige Oberermittler menschlich sein mag, so grauenhaft ist es, wenn er nun Politik betreibt. Seit drei Jahren – im Dezember 1994 war er vom Amt des Staatsanwalts zurückgetreten – wuselt der Mann durch Italien, versichert mal, er werde niemals in die Politik gehen, dann wieder will er alle „Italiener guten Willens“ um sich scharen. Später grummelt er, am liebsten würde er auswandern, um gleich danach das Ministerium für öffentliche Arbeiten im Kabinett Prodi zu übernehmen. Natürlich nur, um zwei Monate danach zurückzutreten, weil er sich über eine der vielen Strafanzeigen gegen sich ärgert. Ein Wahlprogramm hatte er nie, dafür aber will er nun „eine große moderate Bewegung“ innerhalb des Mitte-links-Bündnisses ins Leben rufen, was immer das auch heißen mag. Aber auch dafür hat er kein Programm.

In seiner Amtszeit als Minister hat er dieselben Defizite gezeigt wie ein Jahr zuvor der Quereinsteiger Silvio Berlusconi: Unfähig zu geduldigen Verhandlungen, versuchte er mit Befehlen und Anordnungen zu regieren – immer in der Gewißheit, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Daß Demokratie bedeutet, Ausgleiche zu suchen, Überzeugungsarbeit zu leisten und Kompromisse zu schließen, geht ihm wie vorher dem Medientycoon Berlusconi nicht in den Kopf. Beide haben zu lange in Strukturen gelebt, bei denen die hierarchische Anordnung alles war.

Daß an Di Pietro politisch niemand mehr vorbei kann, ist klar. Das Problem wird sein, ihn so einzubinden, daß er möglichst wenig Schaden anrichten kann – oder schlicht umlernt. Keine leichte Aufgabe bei dem Poltergeist und unberechenbaren Irrwisch, der seit jeher immer gleich mit Hinschmeißen droht und ansonsten seine eigene Person bereits für Programm genug hält. Werner Raith