■ Chinas Außenpolitik setzt auf Partnerschaften und Konfliktrisiko: Gefährlicher Realismus
Die neue chinesische Außenpolitik ähnelt der alten, doch gibt es neben Vasallenstaaten auch noch Partnerländer. Früher mußten Vasallenstaaten wie Japan und Korea Delegationen nach Peking entsenden und dem himmlischen Kaiser ihr Wohlwollen bekunden. Heute ist die Welt aus Pekinger Sicht neu aufgeteilt: Es gibt neben China noch andere, gleichrangige Mächte. Zum Beispiel Rußland, die USA und Frankreich. Mit diesen Ländern unterhält Peking nun das, was chinesische Diplomaten stolz „konstruktive und strategische Partnerschaften“ nennen. Nicht jede dieser Partnerschaften ist gleich gut: Mit Amerika ist sie in chinesischen Augen nur ein Ziel fürs 21. Jahrhundert, mit dem russischen Freund Boris Jelzin ist Partnerschaft für China bereits Realität. Europa liegt in der Gunst irgendwo dazwischen.
So banal es klingt, so bedeutend ist es: Zum ersten Mal seit der Kaiserzeit verfügt Peking wieder über ein einigermaßen realistisches Weltbild, mit dem es seine Außenpolitik in Einklang zu bringen versucht. Vorbei die Zeit, als Mao — statt Außenpolitik zu betreiben — rote Bibeln verbreiten ließ. Vorbei die Zeit, als Deng Xiaoping zu alt war, sein Land international zu repräsentieren. Heute ist Jiang Zemins erfolgreiche Gipfeldiplomatie mit Boris Jelzin Beweis dafür, daß auch der Supermachtdialog mit Washington möglich ist. Vorbei also auch die Zeit, als Staatsbesuche wegen ein paar Demonstranten abgebrochen werden.
Der eigentliche Prüfstein für die Tauglichkeit der neuen chinesischen Außenpolitik liegt trotz Menschenrechtsdebatte nicht mehr im Westen, sondern in Japan. Japan ist nicht nur die einzige unmittelbare Konkurrenzmacht in der Region, es ist auch die nach Handelszahlen in China involvierteste Großmacht. Japan aber ist auch nach heutigem Verständnis in Peking keine ebenbürtige Macht. Japan ist nur der alte Vasall und reulose Kriegsgegner. Von Partnerschaft zwischen Tokio und Peking zu reden, würde einem chinesischen Diplomaten nicht in den Sinn kommen, auch wenn Premierminister Li Peng noch in diesem Monat nach Tokio fährt.
Chinas neue Außenpolitik will durch den Dialog mit Ebenbürtigen ein stabiles Umfeld für die Reformen im Inneren erzeugen. So weit, so gut. Doch mit Blick auf Taiwan, den umstrittenen Spratly-Inseln vor den Küsten Vietnams und letztlich wohl auch in den Beziehungen zu Japan kalkuliert die Pekinger Politik ganz bewußt Krisen ein. Das gilt für den Fall, in dem ein äußerer Feind von Schwierigkeiten im Inneren ablenken soll. Georg Blume
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