Di Pietro schlägt derzeit keiner

Italiens ehemaliger Chefankläger wurde mit Zweidrittelmehrheit zum Senator gewählt. Ein Test für Höheres?  ■ Von Werner Raith

Der Riesenjubel schallte bereits kurz nach Schluß der Wahllokale aus nahezu jeder Bar in Florenz und insbesondere den ländlichen Orten nördlich der toskanischen Hauptstadt: Mit jedem kleinen Einzelergebnis wurde mehr zur Gewißheit, daß Italiens noch immer unumschränkter Publikumsliebling Antonio Di Pietro, 46, sein in der ersten Hälfte der 90er Jahre erworbenes Ansehen als Chefankläger in Sache Korruption mühelos auch in politische Zustimmung umzusetzen vermag. Bei einer Nachwahl zum italienischen Senat im Wahlkreis Florenz 3 (Mugello) erhielt Di Pietro als Kandidat des linksliberalen Olivenbaum-Bündnisses 67,8 Prozent der Stimmen.

Dabei hatte er drei überaus gewichtige Gegenkandidaten: Neben einem Leichtgewicht aus der in der Toskana nicht allzu bedeutenden Liga Nord hatte der aggressivste Wadenbeißer des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, Giuliano Ferrara, für das Rechtsbündnis „Pol der Freiheiten“ kandidiert, und für die Neokommunisten Sandro Curzi, vordem Chefredakteur des 3. Kanals im Staatlichen Fernsehen RAI.

Das Wahlergebnis Di Pietros liegt sogar noch einige Zehntel über dem seines Vorgängers Pino Arlacchi, dem berühmtesten Antimafiaexperten Italiens, der vorigen Monat zum Vizedirektor der Vereinten Nationen bestimmt worden war. Arlacchi hatte sich vor anderthalb Jahren bei seiner Wahl noch auf die Stimmen der Neokommunisten stützen können, die diesmal mit ihrem eigenständig präsentierten Kandidaten immerhin 13 Prozent von Di Pietro abzogen – aber offenbar hat dieser in der Mitte den Verlust mehr als wettgemacht.

Die Nachwahl hatte weithin den Charakter eines Vortests für künftige Aufgaben Di Pietros in der Politik erhalten: Curzi hatte sich sofort nach Bekanntwerden der Kandidatur Di Pietros ins Zeug geworfen, weil der ehemalige Staatsanwalt als im Grunde höchst konservativer Mensch gilt, Ferrara hatte ausdrücklich nur ein einziges Ziel für seine Kandidatur angegeben, nämlich „ein Plebiszit für Di Pietro zu verhindern“. Tatsächlich aber erhielt er sogar noch 16 Prozent Stimmen weniger als der Rechtskandidat vor eineinhalb Jahren. Di Pietro, den seine Gegner seit Jahren mit unzähligen Strafanzeigen verfolgt haben, ohne ihn jemals vor Gericht bringen zu können, kommentiert die Wahl nur mit dem Satz: „Dies ist eine klare Botschaft der Italiener an die Italiener.“

Als Senator will er sich natürlich besonders den Fragen der Justiz widmen – ein guter Moment, denn soeben hat die Verfassungskommission des Parlaments eine Reihe von Änderungsentwürfen für die Konstitution verabschiedet, die Italiens Staatsanwälte und Richter im höchsten Maße erzürnt haben, weil sie ihrer Meinung nach die Strafverfolgung erheblich erschweren.

Weit weniger enthusiastisch als das Wahlvolk Di Pietros zeigen sich die Politiker, auch diejenigen, die ihn unterstützt haben. Selbst bei den Linksdemokraten, deren Chef Massimo D'Alema Di Pietro in einer Art Handstreich gegen erhebliche Widerstände aus seiner eigenen Partei zum Kandidaten des linksliberalen Bündnisses gekürt hatte, herrscht nicht eitel Freude. Di Pietro hatte bereits mehrere Male angekündigt, künftig den „moderaten Flügel“ der Olivenbaum-Allianz verstärken zu wollen und sich an den Aufbauarbeiten zu einem neuen „Zentrum“ zu beteiligen. Was in vielen Ohren klingt, als wolle da einer die vor drei Jahren sanft entschlafene Democrazia Cristiana wiedererwecken, die vierzig Jahre das Land regiert und es schließlich just in jenen Korruptionssumpf hatte treiben lassen, den Di Pietro dann trockengelegt hat. Auch die Kommentare jener, die er da unterstützen will, die Volkspartei und das – derzeit noch im Opposition stehende – Christlich-Demokratische Zentrum halten sich zurück: Ihre Führer glauben, Di Pietro wolle ihnen Positionen streitig machen.

In den Zeitungen dagegen wird Di Pietros Sieg überwiegend als eine Vorentscheidung für die in spätestens zwei Jahren anstehende Wahl zum Staatspräsidenten gewertet, der künftig direkt vom Volk gewählt werden soll. Umfragen haben bereits vor der Florentiner Wahl ergeben, daß Di Pietro zumindest derzeit jeden anderen Kandidaten aus dem Feld zu schlagen vermag. Kommentar Seite 12