Ironie für Leichtgewichte

■ Die Ausstellung „Berührungen II“in der Galerie Steinbrecher zeigt Bilder von Hans Jaenisch und Skulpturen von Tamara Suhr

Das kleine Mädchen steht Kopf. Gerade eben erst ist es die Stufen der steilen schwarzen Treppe emporgestürmt, ausgelassen stemmt sie ihren schmalen Körper auf eine Hand. Ihr dünnes, zerbrechlich wirkendes Ärmchen trägt sie so sicher, daß sie es sich erlauben kann, dem Betrachtenden mit der anderen Hand zuzuwinken. Tamara Suhrs kleine Skulptur „Handstand“bringt Dinge zum Schweben, die der Welturheber einst tief in die Erde und die Schwerkraft knapp über der Grasnarbe positioniert hat.

Das ausgelassene kleine Bronzemädchen hält es in der Galerie Steinbrecher kaum auf ihrem Sockel, der Bleimantel der „Hl. drei Könige“wirkt zart wie Pergamentpapier, und die hölzernen Sterngucker mag man kaum ansprechen, aus Furcht, ein zu lautes Wort könnte ihre fragilen Gliedmaßen zerschmettern.

Ihre engere Bekanntschaft zu den berühmten Stabmenschen des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti können Suhrs Figuren nicht leugnen, doch zugleich zeigen die Skulpturen dieser jungen Bremer Künstlerin ein sehr eigenes Profil. Es gelingt ihr in Teilen gar, den notorisch präsenten Themen der Kunst – Leben und Tod, Vergänglichkeit und Ewigkeit, Leichtigkeit und Schwere – durchaus neue, manchmal witzige, zuweilen traurige, aber immer in sich stimmige Aspekte abzutrotzen.

Alltagsgegenstände, Holzreste und Naturstoffe wie Äste, Hagebutten und Eicheln verbinden sich in Tamara Suhrs Plastiken zu originellen figurativen Formen, in denen die massive Dominanz der Grundelemente Bronze, Blei und Eisen spielerisch ironisiert wird.

Egomanie schon Jahre vor Horst Janssen

Ironie ist eines der Stilmittel, daß sich auch in den Werken von Hans Jaenisch wiederfindet, der gemeinsam mit Suhr die Ausstellung namens „Berührungen II“in der Galerie Steinbrecher bestreitet.

Zum wiederholten Mal widmet sich Steinbrecher dem Lebenswerk des 1989 auf Amrum verstorbenen Malers und früheren Professors an der Hochschule für bildende Künste in Berlin. Die nunmehr fünfte Präsentation von Jaenischs Bildern konzentriert sich auf Rohrfederzeichnungen von 1946 und großformatigen Klangbildern, die zu Beginn der 60er Jahre als bildnerische Auseinandersetzung mit Fugen von Johann Sebastian Bach entstanden sind.

Vor allem in den „Notzeitgesichte“von 1946 verbinden sich hohe zeichnerische Virtuosität mit hintergründigen, zum Teil deftigen Kommentaren des ehemaligen Wehrmachtssoldaten und Kriegsgefangenen zur größenwahnsinnigen Geschichte Deutschlands. Die in Schottland angefertigten Skizzen zeigen fiktive Kriegsgewinnler und-verlierer, deren illusionslose, feiste oder abgrundtief traurige Gesichter wie Abbilder ihrer Seelenzustände wirken.

In der Art der Darstellung erinnern „Notzeitgesichte“an die egomanischen Selbstporträts von Horst Janssen – freilich sind sie schon Jahrzehnte eher entstanden.

zott

Die Ausstellung „Berührungen“ist noch bis zum 29. November in der Galerie Steinbrecher, Am Dobben 123, zu sehen.