Wider den blinden Verkauf

Auf einem Hearing legten die Bündnisgrünen ein Konzept zum Erhalt der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vor. Diese sollen in einer Holding aufgehen. Erfahrungen aus Frankfurt am Main dienen dabei als Vorbild  ■ Von Peter Sennekamp

Weil inzwischen sogar die SPD bereit ist, Haushaltslöcher kurzfristig über die Privatisierung der Wohnungen zu stopfen, haben die Bündnisgrünen am Montag zu einem Hearing ins Abgeordnetenhaus gerufen. Das Ziel der Veranstaltung: Dem blinden Verkauf von Sozialwohnungen und öffentlichen Wohnungsunternehmen an die Privatwirtschaft sollte begegnet werden. Als Anschauungsmaterial hatte man Beispiele parat, die Alternativen aufzeigten.

Als Modell gegen den Verkauf legten die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Franziska Eichstädt- Bohlig, und die Berliner Abgeordnete Barbara Oesterheld ein Holdingkonzept vor. In der Holding sollen die vierzehn Wohnungsbaugesellschaften, die rund 466.000 Wohnungen unterhalten, zusammengefaßt werden.

Das Ziel sei, so Eichstädt-Bohlig, durch die Holding nicht nur die Leistung der Gesellschaften zu optimieren. Die in der Holding zusammengefaßten Gesellschaften halten darüber hinaus Milliardensummen an Rücklagen, aus denen pro Jahr 750 Millionen dem Haushalt beigesteuert werden könnten. „Was können die Gesellschaften an Eigenleistungen erbringen, für die sie heute noch vom Land gefördert werden?“ fragte sie die anwesenden Gesellschafter. Die zeigten sich zwar gesprächsbereit, BBU- Vorstand Ludwig Burkhardt bezeichnete das Holdingpapier allerdings als „Ansammlung von Vorurteilen“. Burkhardt sprach von einer „finanziellen Zeitbombe“, die der Senat zu verantworten habe: Die Förderzusage an private Bauträger koste das verschuldete Land öffentliche Gelder in großem Umfang. Das Ziel der Grünen, über die Holding einen Finanztransfer zwischen den armen und reichen Wohnungsbaugesellschaften zu erreichen, hielt Burkardt aber für machbar.

Die Grünen präsentierten das Beispiel Frankfurt am Main. In der Finanzmetropole wird bereits das Holdingkonzept angewandt. Frank Junker, Geschäftsführer der neuen Wohnungsholding „ABG“ betonte, daß die Holding den Kommunalhaushalt nicht belaste. Die Holding behalte allerdings Gewinne aus Mieten in der eigenen Kasse. Nach „Jahrzehnten der Führung nach Gutsherrenart“ sei ein Controlling möglich. Mieten seien mäßig gestiegen und „wurden an vergleichbaren Mieten orientiert“, so Junker.

Die Frankfurter Strategie hatte jedoch einen Konstruktionsfehler, wie der Holdingberater Eberhardt Mühlich eingestehen mußte: Aus sozialwissenschaftlicher Sicht sollten die Gesellschaften im ersten Schritt zentralisiert, um im zweiten anschließend in lokale Verantwortung überführt zu werden. Beispiele im englischen Liverpool hätten gezeigt, daß verwahrloste Siedlungen wieder gefahrlos betretbar wurden, als die lokale Eigenverantwortung für die Wohnungen eingeführt wurde. Frankfurt habe zwar den ersten Schritt, die Zentralisierung der Gesellschaften, gewagt – das klappte, weil Wohnungsbaugesellschafter in den Holdingvorstand übernommen wurden. Jedoch der „zweite Schritt“ sei ausgeblieben.

In der Hauptstadt indessen drängt die Zeit: 4 Milliarden Mark will der Senat bis 1998 aus dem Verkauf von Wohnungen und Gesellschaftsrechten kassieren, um weitere Haushaltskredite zu schöpfen. Eichstädt-Bohlig: „In drei Jahren verkauft der Senat für eine Milliarde die Juwelen, die Perlen der öffentlichen Wohnungen.“ Während modernisierte Wohnungen privatisiert werden, bleiben die Problemfälle im Wohnungsbestand beim Land und Kosten Geld.

Kritik an der Senatspolitik übte auch Reiner Wild vom Berliner Mieterverein: „Jede Reduzierung des Bestandes führt zur Verengung der Versorgung mit sozialem Wohnraum.“ Die Zahlen sprechen für sich: 210.000 Haushalte in Berlin sind Wohngeldempfänger, 660.000 Haushalte sind von ihrem Einkommen her sozialwohnungsberechtigt. Kassiert dagegen der Senat beim Verkauf öffentlicher Wohnungen zunächst ab, müssen aus dem Landeshaushalt anschließend Mieten an private Anleger und Banken gezahlt werden, die die öffentlichen Wohnungen aufkaufen. Auch Günter Adam von der Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ erklärte die Privatisierungspolitik des Senats als Geldverschwendung, da derzeit keine angemessenen Preise zu erzielen sein. Auf seine Bemerkung: „Wäre ich eine Bank, würde ich alle Bestände aufkaufen“, erhielt er zustimmendes Gelächter. Mit Zahlen unterlegt heißt das: Jede heute öffentlich gebaute Wohnung kostet 481.000 Mark. Für jede verkaufte Wohnung bekommt das Land aber nur zwischen 50.000 und 100.000 Mark.