Zubetoniert? Alles klar!

Morgen wird über das Bodenschutzgesetz entschieden. Richtschnur soll nicht Sanierung, sondern Gefahrenabwehr sein  ■ Von Detlef Stoller

Köln (taz) – Seit 12 Jahren diskutieren Umweltschützer und die Regierung Kohl über ein Gesetz zum Schutz des Bodens. Bis morgen soll der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat entscheiden, ob das Gesetz durchfällt oder nicht. Im Juni verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das durch die Mühlen von Ressortabstimmungen und Verbändeanhörung sichtlich Federn lassen mußte: Statt den Boden umfassend vor Verschmutzungen zu schützen, wurde die wirtschaftliche Bodennutzung als Gesetzeszweck aufgenommen.

„Lediglich drei der acht im Gesetz genannten Aufgaben und Funktionen des Bodens haben einen Bezug zum Umweltschutz, die anderen fünf sind nutzungsbezogen“, kritisiert Jutta Sapotnik vom Arbeitskreis Bodenschutz/Altlasten des BUND. Zu viele Bereiche klammert das Gesetz schlicht aus: Verkehrsflächen, öffentliche Flächen, militärische Liegenschaften. Auch dem Bundesrat war das Gesetz zu lasch: „Der Zweck des Gesetzes, eine umfassende Regelung der schädlichen Bodenveränderungen zu schaffen, wird somit nicht erreicht“, lautete seine Stellungnahme.

Ein zentraler Kritikpunkt der Länderkammer ist, daß der Entwurf keine Finanzierungsmöglichkeiten bietet, die mittlerweile 190.000 altlastverdächtigen Flächen zu untersuchen und gegebenenfalls zu behandeln. „Nach unseren Erfahrungen müssen etwa 20 Prozent davon saniert werden“, verdeutlicht Harald Burmeier vom Ingenieurstechnischen Verband Altlasten (ITVA) den Finanzaufwand.

Die Zahlenspiele zur Finanzierungsfrage reichen an die 1.000-Milliarden-Mark-Grenze heran. Und in der Tat: Ohne konkrete neue Geldquellen wird die Altlastensanierung nicht aus der Defensive kommen. Das notwendige Flächenrecycling – Industriebrachen werden saniert – bleibt weiterhin eine Ausnahmetat in den Kommunen. Die Folge ist für jeden sichtbar: Tag für Tag werden wertvolle Grünflächen betoniert, asphaltiert und bebaut.

Der zerstörerische Mechanismus ist immer derselbe: Investoren scheuen das Altlastenrisiko und ziehen sauberes Grünland außerhalb der Stadttore vor, die Altlasten von morgen entstehen. Das Bundes-Bodenschutzgesetz wird gegen diese ökologischen Untaten wenig ausrichten können: Denn die Maxime für die Altlastenbehandlung ist die Abwehr von Gefahren. Dazu genügt es aber, eine Fläche so zu sichern, daß weder Menschen noch das Grundwasser gefährdet sind.

„Künftig reicht es aus, eine Altlast durch Versiegelung in einen Containerabladeplatz zu verwandeln, auch Parkplätze bieten sich als Sanierungsziele förmlich an“, wettert Sapotnik vom BUND. Denn im Gesetz ist die Sicherung von Altlasten einer Sanierung gleichgesetzt. Der Vorteil: Sicherungen kosten weniger. Der Nachteil: Sie halten nicht lange. „In den Kostenrechnungen wird nie das berücksichtigt, was notwendig ist, um diese Bauwerke später irgendwann doch zu sanieren“, schimpft auch Burmeier vom ITVA: „Und genau diese Standorte sichern unserer Folgegeneration die Altlastensanierung von morgen.“ Volkswirtschaftlich ist so eine lange Sanierungsbank fatal.

Eine solche Hypothek auf die nächste Generation ist auch der sogenannte „Nutzungsbezug“. Ein Wohngebiet stellt höhere Anforderungen an die Bodenqualität als ein Industriegebiet. Deshalb sind die Werte für tolerable Schadstoffgehalte im Regelwerk – die sogenannten Prüfwerte – differenziert nach den Nutzungen Kinderspielfläche, Wohngebiet, Freizeitfläche und Gewerbegebiet. Das Problem dabei: Die Schadstoffhöhen sind so berechnet, daß ab diesen Grenzwerten sicher eine Gefahr für die Nutzer besteht.

In der Praxis werden diese Werte künftig jedoch nicht nur zur Abwehr von Gefahren angewendet, sondern zur städtebaulichen Planung – weil es für Architeken und Bauherren keine anderen Werte gibt. Zu Planungszwecken sind diese jedoch überhaupt nicht entwickelt worden. Sie dienen nur dazu, die alten Lasten anzugehen, und kennzeichnen lediglich eine Dosis, ab der sicher genug der Gefahrentatbestand erfüllt ist, damit die Behörden eine juristisch abgesicherte Basis haben, Sanierungspflichtige heranzuziehen.

Wenn das Bodenschutzgesetz morgen scheitert, dann sind die Länder gefordert, ihre Vorstellungen von Bodenschutz selbst zu regeln. Konkretes verspricht Harald Friedrich aus dem Umweltministerium Nordrhein-Westfalen: „Wir werden dann, wie es auch in den Koalitionsvereinbarungen steht, ein Landesbodenschutzgesetz verabschieden.“