Rechte Schriften und Tonträger im Spind gefunden

■ Abermals wurde in einer Bundeswehrkaserne rechtsextremistisches Material im Spind eines Obergefreiten gefunden. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt. Soldat soll entlassen werden

Berlin (taz) – Bei der Bundeswehr gibt es einen neuen Fall von Rechtsextremismus. Nach der Entdeckung zweier rechtsradikaler Videos beim Gebirgsbataillon 571 im sächsischen Schneeberg, wurden jetzt fremdenfeindliche Tendenzen in einer weiteren Kaserne bekannt.

Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte gegenüber der taz, daß am vergangenen Freitag im Spind eines Wehrpflichtigen in der Berliner General-Steinhoff- Kaserne rechtsradikale Schriften und Tonbänder sichergestellt worden seien. An der Razzia waren nach Angaben des Landeskriminalamtes auch Fahnder der Kriminalpolizei beteiligt.

Bei dem 23jährigen Obergefreiten aus Seehausen in Brandenburg ist nach Angaben der Bundeswehr zudem ein selbstgefertigter Ausweis gefunden worden, in dem er den Dienstgrad „Sturmbannführer“ führt. „Der Wehrpflichtigte hat ausgesagt, die Kassetten und CDs mit rechtsradikalen Liedern in einem Geschäft im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gekauft zu haben“, sagte Oberstleutnant Christopher Kaatz, Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Der 23jährige, der noch bis zum 30. November bei der 3. Luftwaffendivision in Berlin Wehrdienst leiste, solle „unehrenhaft“ entlassen werden. Zudem sei gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. „Dem Obergefreiten drohen in seiner restlichen Dienstzeit einige Tage Haft“, sagte Kaatz. Auch die zuständige Staatsanwaltschaft Berlin sei inzwischen informiert worden. „Die Akten sind bei der Staatsanwaltschaft noch nicht eingegangen“, sagte Justiz-Sprecherin Michaela Blume. Sobald sie vorlägen, solle umgehend ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.

Der erneute Fall von Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist wie zuvor beim Gebirgsjägerbataillon 571 in Schneeberg aus den eigenen Reihen bekanntgeworden. Nach einem Vortrag über rechtsradikale Gruppierungen im Rahmen der politischen Bildung für Wehrpflichtige am Freitag in der Kaserne hat nach Angaben der Bundeswehr ein Soldat den Obergefreiten gegenüber den Vorgesetzen angezeigt. Der Wehrpflichtige sei schon zuvor aufgefallen, weil er wiederholt Ausländer beim Autofahren mit „erhobenen rechten Arm“ gegrüßt habe.

Nach den jüngsten Vorfällen beim Gebirgsjägerbataillon im sächsischen Schneeberg hatte das Verteidigungsministerium am vergangenen Wochenende den Militärischen Abschirmdienst (MAD) mit der Beobachtung rechtsextremer Tendenzen in der Bundeswehr beauftragt. Nach Angaben der Hardthöhe werden derzeit rund 760 Verdachtsfälle bei Bundeswehreinheiten überprüft, bei denen Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen bestünden. Über diese Fälle hinaus würden insgesamt 138 verdächtige rechtsextreme Soldaten überprüft. Sie sollen ab sofort nicht mehr in sicherheitsrelevanten Positionen eingesetzt werden. Außerdem sollen sie keine Waffen und Munition mehr erhalten.

Berichte, wonach der MAD auch an den Ermittlungen in der Berliner Luftwaffenkaserne beteiligt sei, wollte das Verteidigungsministerium gegenüber der taz „weder bestätigen noch dementieren“. Ulf Laessing