Deutschen drohen drei Jahre Haft in der Türkei

■ FriedensaktivistInnen der „Musa Anter“-Delegation stehen in Istanbul vor Gericht

Istanbul (taz) – Vor der Istanbuler Strafkammer Sisli hat gestern der Prozeß gegen die internationalen FriedensaktivistInnen begonnen, die Anfang September zum Antikriegstag als „Friedensdelegation Musa Anter“ ins kurdische Diyarbakir gefahren waren, um eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts zu fordern. Während die italienischen Angeklagten das Partisanenlied „Bella ciao“ anstimmten, waren die Deutschen im Begriff, erneut eine kriminelle Handlung auf türkischem Boden zu begehen: Sie hielten T-Shirts mit dem Logo des „Friedenszuges Musa Anter“ in die Luft.

Die FriedensaktivistInnen waren bei ihrer Aktion ständigen Übergriffen der Polizei und des Militärs ausgesetzt. Zuletzt wurden sie vor einem Istanbuler Hotel von der Polizei angegriffen und festgenommen. Mehrere Personen wurden verletzt, einige schwer.

Angeklagt sind nun 17 Opfer der Polizeirazzia. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben, was mit anderthalb bis drei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Mehr als ein Dutzend Polizisten waren gestern als Zeugen geladen, die ausnahmslos berichteten, daß sie den Dienstvorschriften gemäß gehandelt hätten. Die Angeklagten seien im Begriff gewesen, eine illegale Versammlung durchzuführen. Sie hätten Parolen gerufen, deren Inhalt man nicht verstanden habe. Nicht die Polizei habe die Scheiben des Istanbuler Mim-Hotels zerschlagen, sondern die „agressiven“ Angeklagten. Wie es dann aber zu erklären ist, daß die FriedenaktivistInnen blutig geschlagen wurden und Verletzungen von sich trugen, während keinem Polizisten etwas passierte, blieb im dunkeln.

Pressegespräche, die die Angeklagten im Hotel durchführten – so die Rechtsanwälte –, versuche die Anklage in eine „illegale Kundgebung“ umzuwandeln. „In welchem Gesetz steht drin, daß Ausländer keine Pressegespräche führen dürfen?“ fragt Rechtsanwalt Ugur Olca, der auch die Antwort dafür parat hat, warum die Polizei so hart zuschlug. „Das Verbot der Durchreise des Friedenszuges in Deutschland durch den deutschen Innenminister hat die türkische Polizei ermuntert.“ Der Prozeß wurde auf den 11. Dezember vertagt. Ömer Erzeren