Beförderungskarussell macht Männer schwindelig

■ Der Arbeitgeber Europäische Kommission fördert Frauen, ohne Männer zu benachteiligen

Im „Kitty O'Shea“ kommt es raus. Das irische Pub, ein paar hundert Meter von der Europäischen Kommission entfernt, ist ein beliebter Treffpunkt von Journalisten und Kommissionsbeamten. Nachdem ein paar Guinness die tieferen Schichten der Seele freigelegt haben, häufen sich plötzlich die Klagen der Brüsseler Beamten über die neuen Karrierehindernisse. Joe hatte den Aufstieg so gut wie sicher, und auch Chris erzählt plötzlich, wie nah er schon dran war.

Aber dann kamen die Frauen. Beweisen kann man es nicht, aber auffällig sei es schon, meinen die Männer am Tresen, daß Frauen immer häufiger der Vorzug gegeben werde. Einer hat sich ein halbes Dutzend mal auf einen besseren Job beworben, kam immer in den engeren Kandidatenkreis, aber den Posten bekam am Ende jedesmal eine Frau. „Vielleicht waren sie wirklich besser qualifiziert“, sagt er. Aber wie er das so durch die Lippen preßt, verrät, daß er nicht daran glaubt.

Nur, wie gesagt, beweisen kann man es nicht, und deshalb möchte er auch ungern damit in der Zeitung zitiert werden. Denn die EU- Kommission hat eine Frauenquote, doch die Zähne dieser Quote, die sieht man nicht. Positive Action Programm (PAP) heißt das im EU-Slang, positiv, weil das Programm Frauen fördern soll, ohne Männer zu benachteiligen. Um juristische Klagen von vorneherein auszuschließen, betont die EU-Kommission deshalb bei jeder Gelegenheit, daß das PAP keine Quoten vorschreibe, sondern nur Zielvorgaben und auf gar keinen Fall irgendeinen Automatismus beinhalte, der Männer zurücksetze. Es gehe vielmehr darum, geschlechtsspezifische Hindernisse auszuräumen, zum Beispiel versteckte Vorurteile von Vorgesetzten gegen Frauen.

Ein wichtiger Bestandteil des PAP ist deshalb, daß sich die Generaldirektoren der 24 Abteilungen rechtfertigen müssen, wenn sie zuwenig Frauen befördern. Außerdem werden sie aufgefordert, auf Konferenzen am späten Abend zu verzichten, weil Frauen erfahrungsgemäß häufiger gezwungen sind, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. In den letzten fünf Jahren stieg der Frauenanteil bei den Führungspositionen der EU-Kommission von 9 auf 12 Prozent, im mittleren Management von 11 auf 17 Prozent.

Damit wurden die vorsichtig gesteckten Ziele sogar leicht übertroffen. In den Vorzimmern und Dolmetscherkabinen arbeiten ohnehin mehr Frauen als Männer. Bei den SachbearbeiterInnen blieb der Frauenanteil bei knapp 38 Prozent konstant, was sich aber im Vergleich zu den meisten EU-Regierungen durchaus sehen lassen kann.

Doch um Sachbearbeiterstellen geht es im „Kitty O'Shea“ nicht. Bei der Einstellung sind die Chancen etwa gleich. Die EU-Kommission veranstaltet Aufnahmeprüfungen, bei denen in etwa gleich viele Frauen wie Männer bestehen. Erst wenn sich das Beförderungskarussell zu drehen beginnt, wird den Männern zunehmend schwindelig. Allzu laut beschweren möchten sie sich trotzdem nicht. Wer in der Europäischen Verwaltung arbeitet, verdient ohnehin ein gutes Stück prächtiger als die Mehrheit der Verwalteten. „Für Luxussorgen sollte man vielleicht kein Verständnis erwarten“, räumt Chris in einem lichten Moment ein. Außerdem kennt Joe einen, der es gerade geschafft hat, Referatsleiter zu werden. „Noch ist nicht alles dicht“, meint er und qualifiziert sich damit für ein weiteres Guinness. Im „Kitty O'Shea“ sind Frauen übrigens in der Minderheit. Alois Berger, Brüssel