Das Hamsterrad der Hölle

■ Rockmusik ganz autark: Die teuflischen Melvins spielen nach ihrem mißglückten Major-Intermezzo in der Markthalle

Das Prinzip von King Buzzo, Dale Crover und Mark Deutron war schon seit jeher, eine künstlerische Autarkie zu errichten, mittels derer alles immer nach den Melvins klingt, ohne darauf verzichten zu müssen, das eigene Häuschen mitunter aus- und umzubauen. Sie verleihen ihrem Schaffen ein derartig ausgeprägtes Äußeres, daß es – und sei es noch so unerwartet – immer wieder als Melvins erkennbar ist.

So konnten sie zu Beginn der Neunziger Hardcore und Metal umschreiben und diese ganz neuartig beleuchten, ohne die Basis zu verlassen. Ebenso war es möglich, vier Jahre via Mammoth bei Atlantic Platten zu veröffentlichen, ohne Federn zu lassen. Auf dem jüngst veröffentlichten Werk Honky erscheint Rumpel-Punk neben Elektro-Spielchen, Dröhn-Metal neben Atmo-Genudel, aber nie hat man das Gefühl, einem konturlosen Ausprobieren beizuwohnen.

Das ist eine Stärke. Andererseits birgt diese Position auch eine Gefahr; denn wenn das Andere immer wieder vom Eigenen eingeholt wird, kann auch ein künstlerisches Hamsterrad entstehen, das zwar sehr unterhaltsam ist, aber einem echten Bruch entgegenwirkt. Wenn die Melvins zum Beispiel jetzt wieder bei AmRep sind, möchten sie den unangenehmen Erlebnissen im Major-Land auch künstlerisch Ausdruck verleihen. Und dabei tun sie sich unerwartet schwer, weil die eigene Autarkie ja immer wieder dazu führt, die Melvins als solche zu erkennen, unabhängig vom Geschäftspartner oder anderen lebensweltlichen Umständen. Damit stellen sie sich beinahe selbst ein Bein. Die innere Logik führt aber auch dazu, daß sie immer wieder gute Platten machen. Es beunruhigt fast schon, daß sich die Melvins von solchen Unbilden nicht sonderlich beeindrucken lassen.

Der schlagende Humor der Amis entfaltet jedoch erst von Angesicht zu Angesicht seine volle Wirkung, ohne jemals in Witzigkeit umzuschlagen. Erst Haltung ermöglicht Ausstrahlung, und Frisuren, Unterhosen und Hüte kann eben nicht jeder tragen. Nichtsdestotrotz sind die Melvins überzeugt, Musik zu machen, die weltweit an Raststätten und Stielke-Kiosken erhältlich sein sollte. In der momentan vorhandenen Welt gibt es da jedoch eher Schweisser-Produkte. Die Weilheimer, die Sonntag absurderweise das Hauptprogramm bestreiten, ähneln den Melvins insofern, als ihre Musik sicherlich auch auf dem Mond niemals anders klänge – nämlich öde und ohne Mumm. Auch eine Form von Autarkie, allerdings mehr im Sinne ewiger Reproduzierbarkeit gemäß marktwirtschaftlichen Prinzipien.

Carsten Hellberg

So, 16. November, 21 Uhr, Markthalle