■ Vorschlag
: Blutige Amour fou – Beyhond Hypothermia im Eiszeit-kino

Hongkongs Auftragskillerinnen sind gut gekleidet. Sie tragen zum Beispiel cremegelbe Partykleider, darüber einen schwarzen, kniekurzen Regenmantel, an den Ohren baumelnde Creolen und obendrauf eine Lockenperücke. Das paßt gut, zumal wenn nebenan gerade das nächste Auftragsopfer eine rauschende Party feiert. Lautlos löst sich ein Schuß, gerade als die strippende Tabledancerin alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Minutenlang bemerkt niemand etwas, als der angeschossene Gangsterboß inmitten seiner besoffenen Getreuen zusammensinkt.

Auch das Tatversteck ist optisch brillant gewählt. Ein Kühlhaus, glitzernd wie eine blaue Lagune voller Eisblöcke. Im fluoreszierenden Licht der Lagerraumlampen hackt die junge Frau (Wi Chien Lien) ein Gewehr aus einem der Blöcke. Beim ersten Schuß sinkt eine herabfallende Patronenhülse sanft ins Eis ein. Mit dieser Ouvertüre sind auch gleich die geruhsamen Momente des Films gezählt. Unmerklich vollzieht sich die Steigerung des Tempos hin zu hitzigem Aktionismus. Erst Verfolgungsjagden über Autodächer lassen bereits das Crescendo mit Carcrash erahnen.

Her mit der Nudelsuppe Foto: promo

Klassischerweise ein Wesen ohne Vergangenheit, gibt die anonyme Killerin auch wenig mehr als die Kernsätze ihres Metiers von sich: „Gib mir die Waffe!“, „Es ist zu spät“ oder auch „Ich muß es tun“. Wie die Fotos, die ihre Tante ihr zusteckt, ist alles unbestimmbar oder bestenfalls geliehen. Eine Portion Zuckerwatte, die zu Boden fällt und mit Blutspritzern zugedeckt wird, taucht später, umgewandelt zur eigenen Kindheitsanekdote, wieder auf.

Wie im Märchen vom „kalten Herzen“ ist Killerin Ching ein puppenhaft emotionsloses Mädchen, das auch nach Feierabend nicht unbedingt auftaut. Mit dem sanften Suppenverkäufer Long (Lau Ching Wang) hat Regisseur Patrick Leung – der an John Woos „Bullet in the Head“ als Koautor mitwirkte – inmitten eines actiongeladenen Grundplots einen Gegenpart besetzt.

„Schöner Geist“ nennt Long seine Lieblingskundin, die jeweils stumm wie „Nikita“ kurz vor Ladenschluß erscheint und schweigsam eine Nudelsuppe löffelt. Mit Anklängen an die Gangsterromanze „Bonnie and Clyde“ schlägt sich die Geschichte auf die Seite einer blutigen Amour fou – und die hat ja bekanntlich selten ein Happy-End. Gudrun Holz

Heute, 21.45 und 23.30 Uhr, Eiszeit 2, Zeughofstraße 20, Kreuzberg