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: Die Farbe der Liebe

Wie die Farbe Rot langsam in die eisig blaue Welt einer jungen Auftragskillerin vordringt und ihr Scheitern verursacht, davon erzählt Hongkong-Regisseur Patrick Leung in „Beyond Hypothermia“. Ihre Körpertemperatur betrage fünf Grad Celsius weniger als normal, wird einmal über die Protagonistin gesagt, die ihre Morde per Präzisionsgewehr entsprechend kühl ausführt – in der Eingangssequenz dient ihr passenderweise eine Eisfabrik als Ansitz.

Eine Frau ohne Vergangenheit und Identität, deren Blick auf die Welt vom Zielfernrohr bestimmt wird: distanziert und teilnahmslos beobachtend. Die Anonymität garantiert ihr Überleben – als sie auf der Suche nach etwas menschlicher Wärme die Distanz aufgibt und anfängt, sich für einen netten Imbißbesitzer zu interessieren, ist ihr Scheitern vorprogrammiert. Anfangs noch extrem zurückhaltend (sie löffelt schweigend ihre Suppe, er redet unentwegt), bekommt die Killerin ihre Emotionen später immer weniger in den Griff.

Nahezu überfallartig läßt Leung dann seine Protagonisten in den Einstellungen aufeinanderprallen – als sie sich schließlich ihre Liebe gestehen, rennt sie ihn buchstäblich über den Haufen. Doch „Beyond Hypothermia“ ist nicht nur die sensible Studie einer um ihre Kindheit betrogenen jungen Frau, die langsam ihre Gefühle entdeckt, sondern auch – und vor allem – ein klassischer Hongkong-Thriller. Wenn der rachsüchtige Leibwächter eines ihrer Opfer sich an die Fersen der Killerin heftet, dann sind jene Actionszenen programmiert, die den Liebhabern des Fernost-Kinos gemeinhin die Freudentränen in die Augen treiben: Rasante Schnittfolgen oder Slow- Motion-Aufnahmen beschleunigen oder dehnen die filmische Zeit nach Belieben, Detailaufnahmen nehmen dem Zuschauer inmitten der mörderischen Ballette jede Orientierung. Und Dutzende von Figuren – bei denen man sich niemals fragen sollte, wo sie plötzlich alle herkommen – sind auch nach mehreren Salven aus der Maschinenpistole einfach nicht totzukriegen.

Für unser Liebespaar nimmt es schließlich zwar kein gutes, jedoch ein romantisches Ende: Das Auto, in dem sie gemeinsam verbluten, ist in der Farbe der Liebe lackiert: Rot.

Weil er an die Stelle einer kollektiv inspirierten Mythologie seine persönlichen Mythen gesetzt habe, sei der österreichisch- amerikanische Regisseur und Schauspieler Erich von Stroheim zu einem der ersten Autorenfilmer geworden, analysierte Eric Rohmer bereits im Jahr 1950. Stroheims Welt persönlicher Obsessionen war geprägt von pubertären Träumen, wüsten Orgien und Bacchanalien sowie der Haßliebe zur k.u.k-Donaumonarchie seiner Jugendzeit, die er immer wieder mit satirischer Schärfe und besessen detailgetreu auf Zelluloid zu bannen verstand.

Hollywoods Filmproduzenten war der geniale, aber maßlose Stroheim verhaßt: Die exorbitanten Kosten und die außergewöhnliche Länge seiner Filme schrieben sie allein der Exzentrik des Starregisseurs zu. Doch Stroheim ging es allein um das realistische Detail, wie eine Anekdote verdeutlicht, die man sich zu einem seiner Filme – es mag „Queen Kelly“ gewesen sein – erzählt: Die Palastwachen habe er mit seidener Unterwäsche – bestickt mit dem Monogramm des Herrschers – ausstatten lassen wollen, und auf den Einwand, das sähe man doch überhaupt nicht, geantwortet: „Aber sie bewegen sich dann ganz anders.“

Lars Penning

„Beyond Hypothermia“ (OmU), 13.-19.11. im Eiszeit 2

„Queen Kelly“, 18.11. im Arsenal