Sprengstoffattentat auf Senator Di Pietro?

■ Eine verheerende Bombe in der Nähe einer Wahlkundgebung mit dem ehemaligen Anti-Korruptions-Ermittler wird rechtzeitig entschärft. Bisher gibt es keinen Bekennerbrief

Rom (taz) – Böser Schreck in Rom: Kurz nach Beginn einer Wahlkundgebung mit dem bisherigen Bürgermeister Francesco Rutelli und dem Chef der regierenden Linksdemokraten, Massimo D'Alema, bei der auch der eben triumphal zum Senator gewählte Antonio Di Pietro auftrat, sollte eine Höllenmaschine explodieren – just auf der Strecke, die die Politiker zum Kundgebungslokal durchschritten. Die Bombe bestand aus gut einem Kilogramm Minendynamit mit einem Uhr-Zünder und war nach Behördenangaben „absolut funktionstauglich“.

Zwar wäre der Schaden am nahen Justizpalast nicht groß gewesen, vorbeigehende Passanten wären jedoch mit Sicherheit schwer verletzt oder getötet worden, hätte nicht ein Tourist die Carabinieri- Wache auf das in einem Rucksack versteckte Paket aufmerksam gemacht. So konnte die Bombe rechtzeitig entschärft werden.

Bisher gibt es weder einen Bekennerbrief noch entsprechende Anrufe, weshalb die Behörden noch von der Tat eines Einzelgängers ausgehen. Bürgermeister Rutelli, der am Sonntag Neuwahlen zu bestehen hat, versicherte, daß seine Stadt „auf solche Anschläge zu reagieren wisse“. Innenminister Giorgio Napolitano versetzte dennoch alle Anti-Terrorismus-Einheiten in Alarmbereitschaft.

Die meisten Interpretationen des Vorfalls zielen auf Antonio Di Pietro, der sich unmittelbar nach seinem Wahlsieg am Sonntag in die letzte Phase der Kommunalwahlen gestürzt hat und sämtlichen linksliberalen Bürgermeistern der Großstädte Auftritte zugesagt hat. Andererseits gilt auch der vom linksliberalen Olivenbaumbündnis aufgestellte Grüne Rutelli, der durch schlitzohrige Schaukeltaktik auch eine Reihe rechte Gruppierungen für sich gewonnen hat, als rotes Tuch für Linksextremisten. Massimo D'Alema ist rechts wie links verhaßt: den Rechten hat er während seiner Präsidentschaft in der Verfassungskommission den Wind aus den Segeln genommen, den Linken die Laune durch den Vorschlag eines autoritären Präsidialsystems verdorben. Alle drei Personen verweigerten bisher jeden Kommentar zur Urheberschaft des Attentatsversuches.

Möglich ist noch eine vierte Version: Die Plazierung des Sprengkörpers nahe dem alten Jutizpalast könnte auch auf ein Attentat gegen das im Gebäude untergebrachte Kassationsgericht hinweisen, die höchste Instanz der italienischen Jusatiz. Sie ist in den letzen Monaten durch zahlreiche spektakuläre Urteile hervorgetreten, die von neuen Akzenten im Sexualstrafrecht bis zur Bestätigung von „lebenslänglich“ für hochrangige Mafiosi reichen. Hier könnte nach Ansicht der Ermittler ein Motiv für den Bombenbastler gelegen haben. Werner Raith