Rotgrüne Männerfreunde führen Senat

Verstehen sich bestens in der neugewählten Hamburger Landesregierung: der Erste Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und der Senator für Stadtentwicklung Willfried Maier (Grüne Alternative Liste)  ■ Aus Hamburg Silke Mertins

Hamburgs Bürgerschaft wählte gestern den ersten rotgrünen Senat. Im Mittelpunkt der neuen Landesregierung stehen dabei zwei Männer, die sich einfach nicht zum Feindbild eignen: Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL).

Die beiden warfen sich schon die Bälle zu, als sie eigentlich noch in verschiedenen Mannschaften spielten. Erst seit gestern, als Hamburgs Bürgerschaft den ersten rot- grünen Senats in der Stadtgeschichte wählte, stehen der Erste Bürgermeister Ortwin Runde und Stadtentwicklungssenator Willfried Maier auch offiziell auf derselben Seite. Doch bereits lange vorher zogen sie gern im Doppelpack die Augenbrauchen hoch, wenn sich zum Beispiel der CDU- Fraktionschef Ole von Beust in der Diskussion um Geld und Haushaltslöcher wieder einmal heillos verhedderte.

Maiers Traumjob als Finanzsenator hat Runde ihm zwar verweigert, aus Angst, der GALier könnte sich wie Frankfurts Ex-Stadtkämmerer Tom Koenigs auf Kosten der SPD finanzpolitisch profilieren. Er überließ ihm nur die Stadtentwicklung. Doch trotz der sozialdemokratischen Härte und der grünen Enttäuschung ist das Verhältnis zwischen dem halblinken Stürmer Runde (53) und dem Marathonläufer Maier (55) nicht grundsätzlich getrübt. Wer die Finanzen kennt – und davon kann man bei Ex-Finanzsenator Runde und Ex-GAL-Haushaltsexperte Maier ausgehen –, braucht für den Einfluß im Senat nicht zu sorgen.

Sowohl Maier als auch Runde wurde das mühsame Herumwurschteln mit verworrenen Haushaltsplänen nicht in die Wiege gelegt. Runde arbeitete sich vom SPD-Vorsitz über die Sozialbehörde zum Finanzsenator hoch, „weil Verteilungspolitik nur noch über Finanzpolitik läuft“, wie er offen bekennt. Und er habe die Neigung „zum Systemklempner“.

In Systemen und Strukturen denkt auch Maier am liebsten. „Namen konnte ich mir noch nie gut merken.“ Kleinere Pannen gab es im Leben des gebürtigen Wuppertalers schon häufig. Eine davon war die Studentenrevolte, die den promovierten Philosophen dazu brachte, sein Habilitationsstipendium zu schmeißen und sich der Befreiung des Proletariats zuzuwenden. Auf einem „Jugendhof“ versuchte er mit Gleichgesinnten „die Arbeiterklasse revolutionär zu organisieren“. Zur besseren betrieblichen Agitation wurde er später sogar noch Werkzeugmacher, wechselte aber, als sich ihm „der politische Sinn zwischen Schleifmaschine und Drehbank nicht mehr erschloß“, zum Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW). Folge: Berufsverbot.

Als alles vorbei war, mußte er als Dozent an einer Privatschule anheuern. Aus der Lehrerrolle fand er auch bei der GAL so schnell nicht heraus, was man ihm übelnahm. In den Anfangsjahren hätte er außerdem wegen seiner frühreifen Realo-Positionen „nicht einmal als Kassierer kandidieren können“. Inzwischen ist er unumstritten der intellektuelle Kopf der Hamburger Grünen. Auf der letzten Mitgliederversammlung bekam er bei seiner Nominierung zum Senator sogar mehr Stimmen als GAL-Promi Krista Sager.

Zum herausragenden Redner hat sich der uneitle Maier allerdings erst im vergangenen Jahr entwickelt. Mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) lieferte er sich unterhaltsame Verbalgefechte. Dennoch erkor Voscherau den Grünen mit K-Gruppen-Vergangenheit zu seinem Liebling. Dem Maier „vertraue ich blind“, sagte der rechte Sozi, mit ihm könne er „eine Koalition auf Handschlag gründen“. Runde ist hingegen einer, dem Voscherau trotz langjähriger Zusammenarbeit nie über den Weg traute. Der hemdsärmlige Ostfriese, der aus einer 12köpfigen ostpreußischen Flüchtlingsfamilie stammt und als erster aus seiner Familie aufs Gymnasium durfte, ist dem großbürgerlichen Edelhanseaten viel zu proletarisch. Zu allem Überfluß ist Runde ein Alt-68er und Diplomsoziologe.

Doch die anderen Genossen schätzen ihn. Wie kein anderer hat Runde die Partei auf Kurs gebracht. Ohne eine einzige Gegenstimme wurde der rot-grüne Koalitionsvertrag am Montag abend auf dem SPD-Parteitag durchgewinkt. Denn wie sein neuer Koalitionskollege Maier eignet sich Runde einfach nicht zum Feindbild. Wenn Krawattenmuffel Runde, der seit seiner Kür zum Bürgermeisterkandidaten auffällig um ein unbunteres Outfit bemüht ist, über die Rathausgänge schlendert, mit jedem plaudert und keiner davor gefeit ist, in die Seite geknufft zu werden, ist überdeutlich: Runde mag kein rhetorisches Feuerwerk sein, aber der rotnäsige Wonneproppen kann einfach mit jedem. Daß er dabei wegen seiner schluffigen Art oft unterschätzt wird, kommt ihm zugute. Die Grünen hätten sich womöglich von dem arroganten Voscherau ein ums andere Mal nicht derart über den Tisch ziehen lassen. Auch der GALier Maier hat keine Feinde, weil er zuhören und Fehler zugeben kann. Über Flügel- und Parteigrenzen hinweg wird er sowohl als kluger Denker als auch Integrationsfigur geschätzt.

„Ich dränge mich nicht um einen Senatorenstuhl“, sagte Maier vor der Wahl. Das behaupten zwar alle Politiker, aber Maier ist einer, dem man es auch abnimmt.