Grüne: Bloß kein Streit

■ Nato-Streit soll keine Rolle auf Bundesdelegiertenkonferenz in Kassel spielen

Bonn (taz) – Das umstrittene Wahlprogramm soll auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Bündnisgrünen in Kassel keine Rolle spielen. Mit dieser überraschenden Meldung wartete gestern die Geschäftsführerin der Partei, Heide Rühle, in Bonn auf. Nach der Tagesordnung ist für den am Freitag beginnenden Parteitag auch keine Diskussion über irgendeine der außenpolitischen Fragen vorgesehen, über die prominente Grüne in den letzten Wochen öffentlich erbittert gestritten hatten. Statt dessen sollen sich die Delegierten mit den Themen Grundsicherung, Rente und Bildung befassen.

Nach den Kontroversen der jüngsten Zeit zielt die Planung erkennbar darauf ab, auf der Bundesdelegiertenkonferenz keinen neuen medienwirksamen Streit entbrennen zu lassen. Weder nach der politischen Auftaktrede von Parteisprecher Jürgen Trittin noch nach der Rede von Fraktionssprecher Joschka Fischer ist Zeit für eine Aussprache vorgesehen.

Der außenpolitische Streit sei von einigen Parteimitgliedern „sehr hochgetrieben“ worden, meinte Heide Rühle: „Wir versuchen, mit dieser Bundesdelegiertenkonferenz auch eine Korrektur hinsichtlich der Themenschwerpunkte vorzunehmen.“ Im Wahlkampf stünden schließlich die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme, die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik sowie ökologisches Wirtschaften im Mittelpunkt.

Der umstrittene Entwurf für das Wahlprogramm soll dem ursprünglichen Zeitplan folgend weiter bearbeitet werden. Bis zum 20.November können noch Änderungsanträge gestellt werden. Ein überarbeiteter zweiter Entwurf soll dann Anfang Dezember vorliegen und im Januar auf dem Länderrat in Erfurt diskutiert werden. Das endgültige Programm wird auf einem Wahlparteitag im März verabschiedet.

Am kommenden Wochenende in Kassel wird der Entwurf zum Thema Grundsicherung im Mittelpunkt stehen, zu dem bereits zahlreiche Änderungsanträge vorliegen. Der Parteitag wird sich auch mit dem Euro beschäftigen. Nachdem sich am letzten Wochenende als letzter auch der Landesverband Bayern für die Einhaltung des Zeitplans zur europäischen Währungsunion ausgesprochen hat, dürfte eine breite Mehrheit für den Euro gesichert sein.

Verabschiedet werden soll in Kassel auch der Wahletat der Bündnisgrünen. Die bündnisgrüne Geschäftsführerin wies gestern in Bonn auf die Finanznot und die Ausstattung der Parteizentrale hin: „Allein in der Wahlkampfzentrale der SPD sitzen dreimal soviel Menschen wie bei uns in der ganzen Bundesgeschäftsstelle“, meinte Heide Rühle. Mit rund fünf Millionen Mark Wahlkampfetat – 22 Prozent weniger als 1994 – stünden der Partei nur etwa zehn Prozent der Mittel zur Verfügung, die die SPD einsetzen könne. Die Partei wird ihren Wahlkampf deshalb auf die Städte konzentrieren. Bettina Gaus