Generalstreikaufruf in Algerien nur mäßig befolgt

■ Die Einschüchterung der algerischen Regierung verfehlte offenbar nicht ihre Wirkung. Die seit über zwei Wochen protestierende Opposition ist mit dem Ausstand trotzdem zufrieden

Madrid (taz) – Der Aufruf des „Bündnisses für die Annullierung der Kommunalwahlen vom 23. Oktober“ zum für gestern früh angesetzten halbtägigen Generalstreik in der algerischen Hauptstadt Algier wurde nur mäßig befolgt. Die meisten Geschäfte öffneten wie gewöhnlich, die städtischen Busse verkehrten, an Schulen und Universitäten sowie in Verwaltung und Fabriken herrschte reges Leben. Die sechs Parteien, die zum Streik gerufen hatten, bewerteten den Protest trotzdem positiv.

Der Sprecher der gemäßigten islamistischen MSP-Hamas, Nahdjob Bouchnafa, bezeichnete den Streik als „viel besser als erwartet“. Amin Eshikre, Sprecher der Versammlung für Kultur und Demokratie (RCD), verkündete Zahlen: Je nach Sektor seien 20 bis 30 Prozent der Beschäftigten dem Aufruf gefolgt. An Unis und Fachhochschulen sei jeder dritte zu Hause geblieben. „Ein voller Erfolg angesichts der Repression der letzten Tage und Wochen“, so Eshikre. Nach anfänglicher Tolerierung der Proteste gegen die Kommunalwahlen, bei der die Regierungspartei National-Demokratische Versammlung (RND) die absolute Mehrheit errang, hatten in den letzten Tagen starke Polizeiaufgebote Demonstrationen und Kundgebungen verhindert.

Vor dem Streik zog die Regierung alle Register, um die Beteiligung so gering wie möglich zu halten. Premier Ahmed Ouyahia warnte die Beamten vor einer Beteiligung. Polizisten gingen in vielen Stadtteilen von Geschäft zu Geschäft, um die Inhaber einzuschüchtern.

Die FLN, die anfänglich die Proteste gegen den Wahlbetrug unterstützte, warnte vor „einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung“. Private Tageszeitungen, die seit Wochen ausführlich über die Proteste berichten, protestierten gestern gegen Einschüchterungsversuche der Regierung. Herausgebern sei damit gedroht worden, ihnen die Werbung von Staatsbetrieben zu entziehen. Das wäre ihr finanzieller Ruin.

„Wir haben die Machthaber immerhin dazu gezwungen, Position zu beziehen“, versucht der Sprecher der trotzkistischen Arbeiterpartei, Abdelramen Afoudmi, all diesen Maßnahmen einen positiven Aspekt abzugewinnen. Für heute um 14 Uhr hat die Opposition trotz Verbot eine erneute Großdemonstration in der Hauptstadt angesetzt. Reiner Wandler

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