Agent sprach Todesurteil

■ Kommissionsbericht bestätigt Verwicklung von Schin Beth in Rabin-Mord

Jerusalem (taz) – Der zwielichtige Undercoveragent des israelischen Geheimdienstes Schin Beth, Avishai Raviv, könnte bei der Ermordung Jitzhak Rabins eine größere Rolle gespielt haben, als bisher angenommen. Dies geht aus einem bislang geheimen Teil des Berichts der Shamgar-Kommission hervor, dessen Inhalt die Tageszeitung Haaretz gestern vorab veröffentlichte. Raviv, der im Spektrum der radikalen israelischen Rechten arbeitete, war demnach nicht nur Mitglied der Gruppe „Ayal“, der auch Rabins Mörder, Yigal Amir, angehörte. Laut Bericht hat Raviv persönlich Amir darauf hingewiesen, daß Rabin der talmudischen Verurteilung „din rodef“ unterliege. Demzufolge mußte und durfte Rabin getötet werden, weil er Juden „verfolgte“, indem er sie als Folge des Friedensprozesses dem palästinensischen Terrorismus auslieferte. Mit diesem religiösen Verdikt hat Amir stets die Ermordung Rabins gerechtfertigt.

Amir und Raviv lernten sich, so der Bericht, bei gemeinsamen Aktivitäten gegen den Friedensprozeß kennen. Der viereinhalb Seiten lange Teil des Shamgar-Berichts deckt auch auf, daß Raviv seit 1987 für den Schin Beth arbeitete und in dieser Zeit zahlreiche Gewaltakte gegen Palästinenser verübte. Ferner hat er seine Vorgesetzten wiederholt belogen und getäuscht.

Der damalige Geheimdienstchef Yaakov Perri sagte gegenüber Haaretz, daß Raviv „in verschiedenen Phasen außer Kontrolle geraten sei“. Er habe mehrfach Aktionen unternommen, zu denen er vom Schin Beth nicht authorisiert gewesen sei. Allerdings hat er nach dem Shamgar-Bericht die berüchtigte Fotomontage von Rabin in SS-Uniform nicht selbst verteilt, sondern nur ein Exemplar davon besessen. Das israelische Kabinett wollte gestern abend die Raviv betreffenden Teile des Shamir-Berichts freigeben. Georg Baltissen