Noch immer keine rosigen Aufsichten

■ HSV-Jahreshauptversammlung wird wieder turbulent: Kampfabstimmung um Aufsichtsratsplatz

Auf den HSV ist Verlaß. Wie schon die vorige Jahreshauptversammlung des Bundesligisten verspricht auch die kommende eine sehr unterhaltsame zu werden. Bei der Wahl für den freien Aufsichtsratsposten wird es am 1. Dezember eine Kampfabstimmung geben. Neben dem stellvertretenden Abteilungsleiter des „Supporter's Clubs“, Christian Reichert, wird auch der ehemalige Schatzmeister Manhard Gerber kandidieren. Die Neuwahl war nötig geworden, weil der vormalige Aufsichtsrat Werner Hackmann hauptamtlicher Geschäftsführer geworden ist.

Vor einem Jahr ging es im Curio-Haus so turbulent zu, daß um den Deckenstuck des Altbaus gefürchtet wurde. Allen voran der damalige Präsident und heutige Vorstandsvorsitzende Uwe Seeler trug zur vergifteten Atmosphäre bei.

Schon im Vorfeld des alljährlichen Mitgliedertreffs hatte der inzwischen 61jährige Stimmung gemacht und die erstmalige Aufsichtsratswahl zur Chefsache erklärt. Frei nach seinem Motto „Eine gute Demokratie muß auch ein bißchen Diktatur haben“drohte Seeler mit Rücktritt, sollten nicht seine „Lieblingskontrolleure“(Bild) gewählt werden. Das eindringliche Werben hatte Erfolg.

Christian Reichert, der sich seit Jahren bei der inzwischen 4100 Mitglieder starken „Supporter's“-Fanvertretung engagiert, hatte im November 1996 bei seiner ersten Kandidatur einen Achtungserfolg errungen. Trotz der Seelerschen Einschüchterungsversuche war der heute 34jährige Aktivist der größten Abteilung im HSV nicht eingeknickt und errang immerhin 207 Stimmen. Die „Tagesschau“-Lady Dagmar Berghoff erreichte den zwölfköpfigen Aufsichtsrat mit 270 Stimmen, dem schlechtesten Wahlergebnis der Seeler-Crew.

Diesmal stehen die Chancen für den Sonderschulpädagogen Reichert besser. Sein Gegenkandidat Manhard Gerber ist nicht der Wunschkandidat des amtierenden Vorstands um Seeler. Der ehemalige Kassierer des HSV wird dem Lager des Aufsichtsrats-Mitglieds und Ex-Präsidenten Jürgen Hunke zugerechnet. Unter Hunke, der von 1990 bis 1993 präsidierte und sich schon häufig sehr kritisch über die derzeitige Vereinspolitik geäußert hatte, war Gerber Schatzmeister.

Geschäftsführer Hackmann wollte sich zu Gerbers Kandidatur, die erst gestern beim Wahlausschuß-Vorsitzenden Dr. Franz Groh einging, gegenüber der taz nicht äußern. Auch die Aussichten Reicherts mochte Hackmann nicht bewerten: „Keine Ahnung.“Ob die jetzige Vereinsführung noch einen eigenen Anwärter präsentieren wird – heute läuft die Anmeldefrist ab – konnte oder wollte Hackmann auf Nachfrage nicht verraten: „Warten wir mal den Freitag ab.“

Es ist jedoch klar, daß durch die Skandale beim HSV, die im Rücktritt des ehmaligen Vizes Volker Lange und in den staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Ex-Schatzmeister Jürgen Engel gipfelten, die Suche nicht einfacher wurde. Sicher ist deshalb: Soll verhindert werden, daß der kritische Fanvertreter Reichert ins Kontroll- und Vorstandswahlgremium gelangt, muß ein Kandidat mit Breitenwirkung her. Spekuliert wird daher über Aktive aus der glorreichen HSV-Ära wie Manni Kaltz oder Ditmar Jakobs. Clemens Gerlach