Gewoba erhöht Mieten um 20 Prozent

■ Sozialbindung für 8.000 Wohnungen in der Neuen Vahr läuft aus / 75 Mark mehr für 60 Quadratmeter / Öffentliche Kassen müssen mehr Wohngeld und Mietbeihilfen zahlen

Den fast 20.000 BewohnerInnen der Neuen Vahr steht unliebsame Post ins Haus: Die Gewoba wird die Mieten für 8.000 Wohnungen in dem Neubaugebiet zum 1. April 1998 um 20 Prozent anheben. Nach 20 Jahren läuft die Sozialbindung für die Siedlung zum Jahreswechsel aus. Eine normale 60-Quadratmeter-Wohnung wird pro Monat 75 Mark teurer.

Die durchschnittliche Kaltmiete steigt nach Angaben von Gewoba-Prokurist Peter Bozetti von 6,32 Mark pro Quadratmeter auf 7,50 Mark. „Das ist happig“, kommentiert ein Mieter.

Mit ihren Forderungen bewegt sich die Gewoba jedoch im rechtlich zulässigen Rahmen. Der läßt nach dem Auslaufen der öffentlichen Förderung eine Mieterhöhung von 30 Prozent in drei Jahren zu. Bisher habe die Gewoba in der Neuen Vahr „deutlich mehr investiert als eingenommen“, sagt Prokurist Bozetti. Die Häuser seien wärmegedämmt, die Dächer neu. Bald stehe an, in den Wohnungen Elektroleitungen zu verstärken oder Bäder zu modernisieren. „Dafür müssen wir vorsorgen“.

Bei Neuvermietungen will die gerade im Vorfeld der Privatisierung in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Wohnungsbaugesellschaft durchschnittlich 8,81 Mark pro Quadratmeter verlangen. Das entspricht nach Ansicht der Gewoba der Marktmiete. Kritiker wie der grüne Kommunalpolitiker Stephan Hespos bezweifeln, ob Menschen mit normalen Arbeits einkommen zu diesen Preisen in die Neue Vahr ziehen. Auch bisher habe die Gewoba schon mit einigen nicht der Sozialbindung unterliegenden Wohungen „Besserverdienende“anlocken wollen, ohne großen Erfolg.

Ortsamt und die SPD/CDU-Mehrheit im Ortsbeirat hoffen, daß solche Zuzüge den Stadtteil künftig sozial stabiliseren. Bisher war das nicht möglich. Gewoba-Mann Bozetti berichtet, daß sich immer wieder auch Krankenschwestern oder Busfahrer nach einer preiswerten Wohnung in der Neuen Vahr erkundigt hätten. „Aber die mußte ich wegschicken“.

Denn Sozialwohnungen durfte die Gewoba nur an sozial Schwache mit einem Berechtigungs-Schein vermieten. Folge: In den letzten Jahren zogen verstärkt Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Menschen mit niedrigen Einkommen in die Siedlung. Weil in der Neuen Vahr viele Arme leben, geht die Mieterhöhung der Gewoba auch zu Lasten der öffentlichen Kassen, denn Mietzuschüsse im Rahmen der kommunalen Sozialhilfe und das Wohngeld, das sich Bund und Land teilen, steigen.

Obwohl in den Behörden keine Zahlen zu bekommen sind, die die Effekte der Gewoba-Mieterhöhung kalkulieren, wird dadurch ein genereller Trend verstärkt: Im Jahr 1996 wurden im Land Bremen noch 109,5 Millionen Mark Wohngeld an 58.483 Haushalte gezahlt. 1997 erwartet das Bauressort einen Anstieg auf 124 Millionen Mark. Die Beamten rechnen mit einer weiteren jährlichen Steigerungsrate beim Wohngeld von sieben Prozent. Die Mietsprünge der vergangenen Jahre sowie die hohe Arbeitslosigkeit werden als Begründungen angeführt.

Die Gewoba wird in den kommenden Wochen ihre Mieter in der Neuen Vahr per Brief auffordern, der Mieterhöhung zuzustimmen und ihren gesetzlichen Anspruch auf Wohngeld zu überprüfen. Stimmt der Mieter nicht zu, wird die Miethöhe gerichtlich überprüft. Bereits herausgeschickt hat die Gewoba Briefe, in denen ihre Mieter gefragt werden, ob sie bisher eine Fehlbelegungsabgabe an das Wohnungsamt bezahlen, weil sie über den zulässigen Einkommensgrenzen für eine Sozialwohnung lagen. In diesem Fall darf die Miete auch um mehr als 30 Prozent angehoben werden.

Die bisherige Fehlbelegungsabgabe bleibt allerdings die Obergrenze. Wer keine Angaben macht, den kann die Gewoba verklagen und so zur Auskunft zwingen.

Joachim Fahrun