Kybernetisch-humanoide Welt

■ Trance von The Orb und Acid von Jaguar am 6. Mai erstmalig in Hamburg

Das vielzitierte Mutterschiff des Kiffer-Trance dockt an. Für den eifrig schaffenden Projektleiter Alex Paterson spielt sich das Leben gefiltert durch ein 24-Kanal-Mischpult ab. Wie sonst ist es zu erklären, daß er, wenn er sich nicht gerade mit The Orb im Kreise dreht, auch noch Sitzfleisch und Muße findet, seinen elektronischen Klangpinsel bei Künstlern wie U2 oder Depeche Mode anzusetzen, die aus einer anderen Welt kommen? Er ist das fleißige Techno-Bienchen, das sich durch seine enorme Kompatibilität nahezu überall eine ökologische Nische verschaffen kann.

Leider ist es gerade diese Omnipräsenz, die The Orb zu einem immer seichteren Gewässer werden läßt. Auch das Universum ist berechenbar, Alex Paterson schon lange. The Orb wurden nach dem recht widerspenstigen Pommes Fritz mit dem aktuellen Tonträger Orbus Terrarum erneut zur Metapher für all jene vom Techno und House ausgesparten oder vergessenen Bereiche, eine kybernetisch-humanoide Alternative zum Rock'n'Roll-Zirkus. Wenn Paterson am Samstag, erstmalig in Hamburg gastierend, die Große Freiheit in die Tiefen des Orbiversums zerrt, wird entschieden, ob diese Zeitgeistreise in die Reflexion des Selbst oder in ein tiefes schwarzes Loch führt.

Ein Visionist ganz anderer Art gibt sich ebenfalls am Samstag in der Wendenstraße die Ehre. Alec Empire, Maskottchen und Ober-Ideologe der gegen alles aufständischen Hardcorebreakbeat-Formation Atari Teenage Riot wird als Jaguar seine Definition von Acid um die Ohren schlagen. Sein langfristiges Ziel ist, wie er gern in Interviews betont, die bewaffnete Revolution des juvenilen Mobs.

Was ebenfalls hervorzuheben ist: Diese Veranstaltung will als Konzert und nicht als Rave verstanden werden. Die fanatische Ablehnung der als Raves bekanntgewordenen Massenaufläufen, in deren Informationsbombardement der einzelne ersäuft, läßt sich ebenfalls an Namensgebungen anderer Projekte des Berliners ablesen. Auf der hinreichend diskutierten LP Generation Star Wars findet sich beispielsweise der Titel Sieg über die Mayday-HJ, was ihm bereits einige erbost drohende Briefe von Sympathisanten der alljährlichen Mayday-Raves einbrachte.

Ebenfalls aus Berlin stammt der dreadlockige DJ Moonraker. Er, der bereits durch seine Mitgliedschaft im Bass-Terror-Soundsystem und diverse Tonträger zum Aushängeschild für Plattenteller-Terror wurde, und die das Hamburger Avantgarde-Hardcore Label Cross Fade Enter Tainment leitenden RAID und Christoph de Babalon werden ihrem Waffenbruder Empire eigenwilligst Feuerschutz geben. Jan-Christoph Wolter

The Orb: Große Freiheit, 20 Uhr/ Jaguar: Wendenstraße 45b, 23 Uhr