Stoppt die Pinkler!

■ Diverse Lübecker machen sich Gedanken über den öffentlichen Urinfluß

Konfirmanden pflegten früher den Katalog der zehn Gebote um ein elftes zu erweitern, das da lautete: „Du sollst nicht an die Kirchenmauer pinkeln!“Klaus Meisel, Kirchenvogt der Lübecker St. Petrikirche, wünscht sich zuweilen, es gäbe dieses Gebot: „Wenn ich morgens zum Dienst komme, dann stinkt es oft wie in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt.“

Von allen Ecken seiner Kirche mitten in der Lübecker Altstadt ergießen sich dann Rinnsale die etwas abschüssige Straße hinab, berichtet er angeekelt. Mitunter habe er auch schon größere Hinterlassenschaften beseitigen müssen. „Es ist einfach widerlich“, schimpft Meisel. Das Problem treffe alle Kirchen der Innenstadt, bestätigt ein Sprecher der Kirchenbauverwaltung, ein probates Gegenmittel sei nicht in Sicht.

Doch nicht nur die Kirchen, auch Profanbauten sind das Ziel „wilder Pinkler“. „Rund ums Rathaus wird ungeniert Urin abgeschlagen“, erzählt etwa der Leiter des Lübecker Presseamtes, Mathias Erz. „Nach meinen Beobachtungen sind das keine Touristen in Nöten, sondern immer dieselben Männer, die einen über den Durst getrunken haben.“

Der unkontrollierte Urinfluß sei zudem nicht nur ein Ärgernis, sondern sogar umweltschädlich. In der Umgebung eines Kiosks am Altstadtrand seien bereits die umstehenden Linden abgestorben, weiß Erz. Und zwar nur, weil die trinkfreudige Kundschaft den Weg zur nächsten Toilette scheue und gleich an Ort und Stelle Platz für weitere Flüssigkeit schaffe.

Ein Gegenmittel hat Erz schon gefunden: Er plädiert für Flutlicht in den „Pinkelecken“. Denn solch eine Festbeleuchtung beim Verrichten des Geschäfts könnte den Übeltätern doch nur peinlich sein.

Auf eine andere Lösung kam im vorigen Jahr ein Mitglied der Lübecker Bürgerschaft: Die Dame hatte erkannt, daß ausschließlich Männer dieses Pinkelärgernis verursachen. Deshalb schlug sie vor, die Lübecker Altstadt nicht nur auto-, sondern auch männerfrei zu machen. Ihr Vorschlag stieß bei den Herren der Bürgerschaft auf wenig Verständnis. Eva-Maria Mester