Die Sparkommissarin

Die neue Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel gilt als klug und uneitel – und steht vor großen Herausforderungen  ■ Von Florian Marten

Ortwin Rundes verlängerter Arm in der Hamburger Finanzbehörde? Eine Quotenfrau? Eine zielbewußte Karrieristin? Oder schlicht die Chefin der wichtigsten Hamburger Behörde? Wer sich dieser Tage daran macht, das Profil der neuen Finanzsenatorin Dr.Ingrid Nümann-Seidewinkel zu zeichnen, stößt zunächst auf eine auffällige Häufung positiver Attribute.

„Sehr nett, sehr symphatisch – die kann zuhören“– wem solche Prädikate zugedacht sind, den vermutet man nicht unbedingt im Hamburger Senatsgehege und schon gar nicht auf dem Chefposten der Finanzbehörde am Gänsemarkt. Doch über Ingrid Nümann-Seidewinkel, die jetzt von der Staatsrätin zur Finanzsenatorin aufgestiegen ist, sind viele positive Urteile im Umlauf. Sie gilt nicht wenigen ihrer MitarbeiterInnen, KollegInnen und politischen KonkurrentInnen als „klug“, „uneitel“und „moderierend“.

Als die promovierte Juristin nach zunächst schneller Karriere 1980 als erste Frau Bezirksamtsleiterin wurde (in Eimsbüttel), schien sie bereits am Ende der Leiter angekommen zu sein. Zu schwach war das politische Gewicht des Bezirks Eimsbüttel in der komplizierten Gesamtgemengelage der Hamburger SPD, zu wenig stromlinienförmig und nicht ausreichend seilschaftenbewußt das politische Auftreten der Bezirkschefin, die sich in ihrer 15jährigen Eimsbüttler Regentschaft allerdings innerhalb und außerhalb der Grindelhochhäuser einigen Respekt verschaffen konnte.

Als Henning Voscherau 1995 in politischer Not den Finanzstaatsrat Hartmuth Wrocklage an die Spitze der Innenbehörde berief, holte sich Ortwin Runde, schon damals strategisch kühl seine Machtbasis in den linken Bezirken arrondierend, die Eimsbüttlerin als Staatsrätin an den Gänsemarkt. Ein taktisch kluger Zug: Als Frau, Vertreterin des Bezirks Eimsbüttel und als gemäßigte Parteilinke konnte Nümann-Seidewinkel gleich drei Proporzfliegen mit einer Klappe schlagen. Da sie ihren Aufstieg aber nicht bezirklichem Gemauschel, sondern Runde verdankt, konnte und kann der sich ihrer Loyalität sicher sein.

Worin aber Ingrid Nümann-Seidewinkel, die in der wildbewegten 68er Ära in Hamburg und New York studierte, als politische Gestalterin Zeichen setzt – da gehen die Urteile auseinander. Als Bezirkschefin boxte sie gegen Großbürgertum und Grüne die Zerstörung der Grünachse am Rothenbaum durch, rühmte sich aber auch, als erste Sozialdemokratin die Brüsseler Sozialtöpfe entdeckt und für die Stadtteilpolitik angezapft zu haben. MitarbeiterInnen aus ihrer Eimsbüttler Zeit betonen, sie habe wesentlich von der Stärke ihrer DezernentInnen gelebt, habe gegenüber dem Senat aber oft wenig Stehvermögen bewiesen. Ein Faible fürs Soziale, ein eigener Kopf, aber doch vor allem Loyalität gegenüber Senat und Partei – auch Ingrid Nümann-Seidewinkel scheint diesem linkssozialdemokratischen Profil zu entsprechen.

Als Finanzstaatsrätin mußte sie im Duett mit ihrem Senator Ortwin Runde die harte Sparkommissarin mit dem obligatorischen eisernen Nein auf den Lippen spielen. Manche fürchten jetzt, sie könne auch als Senatorin beim bequemen, weil nicht diskutierbaren Nein bleiben. „Das darf aber nicht sein“, meint ein intimer Kenner des Regierungsapparates: „Sie muß den Sparkurs natürlich durchhalten, aber gerade im gestalterischen Umgang mit Einzelproblemen von Ressorts liegt die Herausforderung für die Finanzpolitik der nächsten Jahre.“