Eugens Ritt auf dem Papiertiger

■ Verkehrswende nicht verboten. Wird Eugen Wagner sie nutzen?

Wer Angst hatte, Hamburg müßte künftig auf die peniblen kleinen Anfragen des Graecisten Dr. Martin Schmidt in Sachen Fahrradpolitik verzichten, dürfte angenehm enttäuscht werden. Statt auf dem Stuhl des Verkehrssenators Platz zu nehmen, darf der Alt-GALier seine geliebte Oppositionspolitik von den Rathausbänken aus fortsetzen. Mit einem kleinen Unterschied: Schmidt ist Oppositionspolitiker zu einem jetzt von ihm selbst getragenen Senat. Und: Diesmal durfte er am verkehrspolitischen Regierungsprogramm mitwerkeln.

Diese Möglichkeit hat er, gut vorbereitet wie kaum ein anderes Mitglied der grünen Verhandlungskommission, weidlich genutzt. Innerhalb des engen Rahmens der bereits abgesegneten Großprojekte und des festgezurrten Finanzspielraums hat die GAL der SPD eine Vielzahl von Absichtserklärungen und Vereinbarungen abgetrotzt, die neue Chancen für Fußgänger, Fahrradfahrer, öffentlichen Verkehr und sogar die Stadtbahn eröffnen.

Das Ergebnis: Ein Papiertiger voller guter Absichten, der freilich nur dann beißt, wenn sein Dompteur es wirklich will. Verringerung des Autoverkehrs, neue Vorrechte für Fußgänger im Straßenraum, eine Offensive für den Fahrradverkehr, vor allem durch Fahrradstreifen auf den Straßen – der ewige SPD-Verkehrssenator Eugen Wagner darf es anpacken. Ob eine Renaissance des Zebrastreifens, die Verbesserung des Schienenverkehrs mit dem Umland, ein Ausbau des Nachtbussystems und Fahrradwege, die künftig nicht mehr nach bezirklichen Launen willkürlich geplant werden, sondern sich an eine neue Senatsrichtlinie halten – kaum ein Punkt des grünen Wunschkatalogs, in welchem die SPD nicht zumindest deutliche Zugeständnisse machte.

Die Zahl der Verkehrskröten, welche die GAL schlucken mußte, hält sich, von Hafen, Elbe und Altenwerder mal abgesehen, in Grenzen. Neben dem Ausbau des Flughafens sind es vor allem die Verlängerung des Friedrich-Ebert-Damms und der Ausbau des Swebenwegs, welche dem Klimaziel von Rio Hohn sprechen.

Dennoch eröffnen die Koalitionsvereinbarungen zumindest auf dem Papier die Chance, eine wirkliche Verkehrswende in Hamburg einzuleiten. Daß mit ihr ernsthaft begonnen wird, ist freilich nicht zu erwarten. Mit dem Koalitionsvertrag ist es wie mit Beton: es kommt darauf an, was man daraus macht. Beton-Eugen aber wird auch als Koalokollege der Felsbrocken von einst bleiben. Und Dr. Martin Schmidt wird weiter seine kleinen Anfragen schreiben. Diesmal gewürzt mit Zitaten aus dem gemeinsamen Koalitionspapier. Florian Marten