Hier rapt die Bremer Kaderschmiede

■ Gehört: Der neue „Tellerrandsampler“des ebenso neuen Hip-Hop-Labels Deck 8

1998 ist es 15 Jahre her, daß der Film „Wild Style“in die Kinos kam und zum ersten mal die Techniken von DJings, Breakdance und Graffiti vorführte. Hip Hop entwickelte sich zur bestimmenden Jugendkultur in den Betonburgen der westlichen Welt, und bis heute ist kein Beton vor Graffiti sicher.

Deutscher Hip Hop hat sich in kommerziellen Schlager-Rap und einen mobilen Untergrund gespalten. Wie in allen anderen Subkulturen gilt der Verkauf an die Industrie dabei als Verrat an der eigenen Gesellschaft, und der Hip-Hop-Untergrund sah sich irgendwann in so viele Schulhof-Rivalitäten verwickelt, da die gesamte Szene zu scheitern drohte und Platz für eine neue, subtilere Generation machte.

Der „Reimattacke“-Sampler und die wegweisende Compilation-Serie des Bremer Labels Operation 23 haben den Weg gewiesen. Mit Deck 8 gibt es ein neues Hip-Hop-Label, das mit dem neuen „Tellerrandsampler“der Hip-Hop-Achse Hamburg-Bremen-Dortmund Tribut zollt.

Label-Macher Jens Präter arbeitet für das Knochenbrecher-Label Earache und kümmert sich hauptberuflich um die Promotion für Splatter-Bands wie Napalm Death. Privat gehört seine ganze Liebe dem Hip Hop. Er zeichnet für die Produktion von zweien der 21 Stücke verantwortlich und hat noch ein paar „Breakbeats zum selberbasteln“beigesteuert.

Zu hören gibt es mit Lee Buddah und Die Pilzen natürlich die Hausbands von Deck 8, die sich beide bereits mit ihren Alben als flockige Alternative etabliert haben. Mit Dynamite Deluxe, Skunk Funk und Dicht finden sich auch eine Reihe Hamburger Großmäuler auf der CD, die den Fischmob-Muppetsound mit relaxten Effekten versehen.

DMC Quincy, Lotte Ohm und Zentrifugal aus Bremen betreiben stilsichere Experimente mit den trippigeren Spielarten des Genres und schöpfen Hoffnung aus Drum'n'Bass. Die Bremer von Die L.P. haben es daneben mit Swing und rappen von „neuen Sphären“und dem „wahren Hip-Hop-Geschehen“, welches sich vermutlich irgendwo zwischen Capri Bar und der F.A.B.-WG abspielen soll und wenig mit dem Gerede über Kulturbüros zu tun haben will.

Der neue deutsche Hip Hop will nicht entdeckt werden und verkriecht sich inhaltlich unter der Kuscheldecke. „Die Sache mit New York und so. Hätte ich die Brille von Lou Reed, würde ich auch nicht klarer sehen“, hält Lotte Ohm in seiner Disco-'76-Version fest.

Der innere Trip und das Kiffen daheim haben sich im Hip Hop zu den beherrschenden Themen des aktuellen Jahrgangs entwickelt. Seit dem „Innenseite“-Sampler scheint hier noch eine Menge Bedarf zu bestehen. Deck 8 verneigen sich in ihrem Platteninfo auch artig vor der „Bremer Kaderschmiede Operation 23“. Nebenbei gibt es einen Freestyle-Wettbewerb mit Track 17 der CD von Fartifisatan, einem kleinen Orgelinferno, „zu dem gelabert werden kann, was das Zeug hält“. StErn

Die Pilzen, Die L.P., No Plan-Clan und andere feiern den Sampler heute abend in der Buchtstr.14/15. Nachmittags finden bereits im Mediencafé der Stadteilbibliothek Huchting Graffiti-Aktionen mit Live-Gästen statt