„Wann wärmst du mich wieder...?“

■ Zu hören: Die Oratorien von Fanny und Felix Mendelssohn zu ihrem 150. Todestag

Morgen abend wird in der Vahrer Christuskirche Fanny Hensels Oratorium „Bilder der Bibel“aus dem Jahr 1831 und am 23. November in der Kirche St Ansgarii Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“aus dem Jahr 1846 aufgeführt. Der Anlaß ist der gemeinsame 150jährige Todestag der beiden hochbegabten Geschwister.

Bei einer Aufführung ihrer berühmten Sonntagsmusiken erlitt Fanny Hensel, geborene Mendelssohn Bartholdy, im Frühjahr 1847 einen Gehirnschlag, gerade 41 Jahre alt. Ein halbes Jahr später starb ihr Bruder Felix Mendelssohn Bartholdy, gerade 36 Jahre alt. Er sei ihr nachgestorben, ist die gut begründete Meinung der meisten ForscherInnen über das in der Musikgeschichte einzigartige Verhältnis der Geschwister. „Da möchte man nun niederknien ...“und „Solche Lieder hat es nie gegeben ...“ist der Tenor der Briefe von Felix über die Musik der älteren Schwester. Was Felix nicht hinderte, Fanny nach dem Kompositionsverbot des Vaters anhaltend vom Publizieren ihrer Musik abzuraten. „Dazu ist sie zu sehr Frau, wie es recht ist, sorgt für ihr Haus ...“, meint er zu wissen.

Als Fanny heimlich während der Reisen des Vaters „Bilder der Bibel“schreibt, ist sie 26 Jahre alt. Sie schreibt ihr Werk eigentlich als Requiem „für die Toten der Choleraepidemie“. Sie, die zu Hause bleiben mußte, während ihr jüngerer, von der Kunstwelt schnell vergötterter Bruder eine Bildungsreise nach der andern antrat, hat sich mehrfach darüber beklagt, daß man ohne „Erfahrung“nicht komponieren kann. Als der vielgereiste Felix seinen „Elias“schreibt, ist er 36 Jahre alt. Erst auf diesem Hintergrund sind Vergleiche zulässig, aber auch aufregend. Beide Oratorien zeigen die tiefe Verwurzelung der Geschwister in der alttestamentarischen Welt und ihre tiefe Beziehung zu Bach – 1829 hatte Felix nach hundertjähriger Versenkung Bachs „Matthäus-Passion“wieder aufgeführt.

Aus opportunistischen Gründen wurden die Kinder 1816, also im Alter von sechs und elf Jahren getauft, und man kann davon ausgehen, daß gerade die pubertierende Fanny diese innere Orientierungslosigkeit nicht überwunden hat. Auch war sie ihrem Drang zum Komponieren nicht gewachsen: „Daß ich bei einem so gänzlichen Mangel an Anstoß von außen dabeibleibe, deute ich mir selbst wieder als ein Zeichen von Talent.“Es entbehrt nicht der Ironie der Geschichte, daß Felix ausgerechnet auf die „Bilder der Bibel“emphatisch reagiert: „Der Frauenzimmerpferdefuß guckt nirgends mehr hervor, (...) Wann schickst Du mir wieder etwas Neues und wärmst mich wieder?“Wolgang Mielke, der Kantor von St. Ansgarii, ist seit Jahren ein Mendelssohn-„Fan“: „Mich beeindruckt, wie nach dem ersten Kraftakt Elias im zweiten Teil an seinem Auftrag scheitert. Und eine herrliche, dramatische Musik, ein Parcours für die Fertigkeiten eines Chores“. Christine Borrmann, die die Aufführung der „Bilder der Bibel“leiten wird: „Fannys Musik macht keine Kompromisse, ihre Formen und Harmonien sind kühn und experimentell“.

Ute Schalz-Laurenze

Termine: Christuskirche, Vahr, Fanny Hensel: „Bilder der Bibel“, Kantorei ZWEI, Leitung: Christine Borrmann (So, 16.11., 18 Uhr); „Gott und sein Prophet Elia“, eine Betrachtung des Rabbiners Prof. Barlai mit Musikbeispielen von Wolfgang Mielke (Di, 18.11., 18 Uhr); Kirche St. Ansgarii: Felix Mendelssohn Bartholdy: „Elias“. Kantorei St. Ansgarii, Leitung: W. Mielke (So, 23.11. 18 Uhr)