Raus aus der Nische mit neuem Image

Die Naturkostszene traf sich in Frankfurt und beriet, mit welchen Mitteln der Massenmarkt erobert werden könne: Auch ein moderneres Image wäre vonnöten. In den USA hat die Branche bereits ein anderes Gesicht  ■ Von Kai Kreuzer

Neue Wege beim Marketing haben 120 Teilnehmer des 4. Marktgesprächs in der Naturkostbranche Ende Oktober im Frankfurter Ökohaus gesucht. Während verschiedene Strategien vorgestellt wurden, zeichnete sich im Laufe der Präsentation von „naturing“, „Naturkost ist einfach besser“ und „Füllhorn“ ab, daß es nicht einfach an einer wohlfeilen Marketingstrategie liegt, ob Naturkost einen größeren Markt findet oder nicht. Neben der Erreichbarkeit von Läden (gute Verkaufslagen, viele Verkaufsstellen) sind auch die Preise von großer Bedeutung. Hierüber entbrannte eine heftige Kontroverse im Publikum. Während der Großhändler Dennree, der das „naturing“-Konzept mit 170 beteiligten Naturkostläden vertritt, über große Mengen und gemeinsame Werbemaßnahmen die Preise senken möchte, mahnten die Vertreter der Landwirtschaft, daß Preissenkungen nicht zu Lasten der Bio-Landwirte gehen dürfe.

Entscheidend für die Durchsetzungsfähigkeit von Naturkost in den nächsten Jahren dürfte vielmehr sein, ob es gelingt, das derzeitige Image und Profil von Naturkostläden zu ändern. Häufig werden Naturkostläden noch mit Vorstellungen wie „verstaubt“, „Körnerfutter“ und „zu alternativ“ verbunden. Die Nachfolger der Tante-Emma-Läden befriedigen als Nachbarschaftsläden zwar den Bedarf kleiner Einkäufe für eine kleine Bevölkerungsgruppe, schaffen aber häufig nicht den Sprung zum Vollversorger für (beinahe) alle.

Wer einen Blick über den Atlantik wagt, wird entdecken, daß auch dort die Entwicklung nicht bei den „einfachen“ Naturkostläden der siebziger und achtziger Jahre stehengeblieben ist: Naturkost-Supermärkte mit 500 bis über 1.000 Quadratmeter Verkaufsfläche beherrschen inzwischen die Szene, auch wenn es daneben noch die kleinen, traditionellen Naturkostläden gibt.

Teilweise als einzelne Läden, teils als Ketten organisiert, haben sich Anfang der neunziger Jahre professionelle Firmen entwickelt, die ihre Wurzeln in der Naturkostbewegung und nicht im konventionellen Lebensmittelhandel haben. Eine sehr attraktive Aufmachung der Läden kennzeichnet Ladenketten wie Wild Oats, Bread & Circus oder Fresh Fields mit Schwerpunkten in Kalifornien, aber auch in den nördlicheren Städten der Ostküste. Rund 1.000 dieser Supermärkte gibt es bereits. Ihre Kunden suchen diese Läden nicht nur unter der herkömmlichen Naturkostkundschaft, die an gesunder Ernährung interessiert ist, sondern in dem ganzen Käufersegment, das bereit ist, ein hochwertiges „upscale“-Angebot zu kaufen. Es werden allerdings nicht nur Bio- Produkte angeboten, sondern parallel in allen Bereichen auch konventionelle Erzeugnisse, die im allerweitesten Sinne des Wortes „naturbelassen“ sind. Das bedeutet, daß sie keine Zusätze von Konservierungsmitteln, Geschmacksverstärkern oder künstlichen Farbstoffen enthalten. Ein Ansatz, wie ihn in Deutschland beispielsweise Reformhäuser lange Zeit in ähnlicher Weise vertreten haben.

Interessant ist in den USA auch die Entwicklung der inzwischen sehr professionellen Food-Coops, die äußerlich den übrigen Naturkost-Supermärkten in Größe und Aufmachung in nichts nachstehen. Allerdings bieten sie die Möglichkeit, über Mitarbeit um 5 bis 18 Prozent billiger als im Naturkostladen einzukaufen, indem sie einfache Angebote zur Mitarbeit offerieren.

Die Entwicklung in den USA läßt sich mit Sicherheit nicht im gleichen Maßstab auf Deutschland übertragen. Dies wäre auch gar nicht wünschenswert, da ein hoher Anteil an konventioneller Ware im Sortiment von deutschen Kunden kaum akzeptiert würde.

Wünschenswert wäre jedoch ein professionelleres Handeln der Naturkostszene in bezug auf interessante Ladengestaltung, Marketingmaßnahmen und Kundenfreundlichkeit. Von größerem Gewicht erscheint jedoch, daß hierzulande in mittleren und großen Städten auch die Größe der Läden von derzeit 50 bis 120 Quadratmetern deutlich steigen müßte, um das in den letzten Jahren stark gewachsene Angebot an Naturkost und Naturwaren besser präsentieren zu können. Helle, freundliche, aber auch großflächigere Läden als bisher können zu einem Profil in der Öffentlichkeit führen, das als „modern, attraktiv, zeitgemäß und ökologisch“ wahrgenommen wird.

Der Verfasser ist Autor des Buches „Bio-Vermarktung, Vermarktungswege für Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung“. Unter den Aspekten „bio – regional – frisch“ werden 17 Vermarktungsformen ausführlich beschrieben, inklusive der Vermarktung in den USA. Das Buch ist für 39,80 DM zu beziehen beim BLATTgrün Buchversand, Liebigstr. 12, 36341 Lauterbach/Hessen.

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