45 Bio-Bauern wird der Geldhahn abgedreht

Brandenburg zählt zu den Spitzenreitern beim Ökologischen Landbau. Doch Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann (SPD) versperrte im Oktober den Zugang zur Landesförderung. Betriebe, deren EU-Förderung gerade ausläuft, sehen ihre Existenz bedroht  ■ Von Klaus Bruske

Gut zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LNF) bearbeiten die 7.353 staatlich anerkannten und geförderten ökologisch-bäuerlichen Betriebe in Deutschland. Anteils-Spitzenreiter sind mit 6,9 beziehungsweise 3,6 Prozent der Flächen die beiden Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit ihren zumeist armen, nacheiszeitlichen Böden, gefolgt von Baden-Württemberg (3 Prozent) und dem Saarland (2,6). Aber auch die drei deutschen Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen nehmen immerhin noch 700 Hektar oder 2,8 Prozent ihrer LNF unter den biologischen Pflug.

„Ökologischer Landbau – staatlich erwünscht? Heutzutage keine Frage mehr“, konstatiert Joachim Reinicke, der im Bonner Landwirtschaftsministerium Deutschlands Bio-Bauern betreut. Ausgerechnet auf das klassische Agrarland Brandenburg treffe das schon bald nicht mehr zu, argwöhnen hingegen die in einer „Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamischen Landbau“ zusammengehenden märkischen Anbauverbände wie „demeter“, „Bioland“, „Gäa“ und „Biopark“.

Was heißt es, in Brandenburg Agrarunternehmer und Naturpfleger zugleich zu sein? – Georg Schindler, der „Öko-Schindler“ des Potsdamer Landwirtschaftsministeriums, weiß Antwort. Beim Ökologischen Landbau würden Mindererträge bewußt hingenommen, damit werde dem Umweltschutz und der Sicherung der natürlichen Ressourcen gedient. Dies sei kein Pappenstiel, mahnt er. In der märkischen „Streusandbüchse“ mit ihren 60 Prozent Böden unterhalb einer Ackerwertzahl von 25 (zum Vergleich: 90 bis 100 hat die Magdeburger Börde) müsse der Bio-Bauer jährliche Mindererträge von 30 bis 50 Prozent gegenüber seinem Nachbarn, der die üblichen Agrarchemikalien wie Dünger und Pflanzenschutzmittel einsetzen könne, verkraften.

Dennoch ist seit 1990 die Zahl der Brandenburger Bio-Betriebe stetig angewachsen, wobei ein Großteil von ihnen aus ihrer Not „miese Bodenqualität“ die Tugend „Ökologie“ machten. 233 Agrarunternehmen, die rund 50.000 Hektar LNF bewirtschaften, gab es 1997. Ein Drittel von ihnen sind Agrargenossenschaften (LPG- Nachfolger), die aber zwei Drittel der Gesamtfläche bewirtschaften. Diesen Großbetrieben stehen die zwei Drittel private Wiedereinrichter gegenüber. Entsprechend schwankt auch die Betriebsgröße zwischen einem Hektar im Extremfall und den 2.200 Hektar, über die beispielsweise die ökologische Agrargenossenschaft Münchehofe verfügt. Die geographische Verteilung innerhalb Brandenburgs differiert ebenfalls recht erheblich. Die Kreise Dahme- Spreewald, Märkisch Oderland, Uckermark und Prignitz haben mehr Bio-Bauern als die anderen. Sie liegen mit ihrem Flächenanteil von mehr als 7 Prozent deutlich über dem märkischen Durchschnitt von 3,6 Prozent.

Ein weiteres Handikap kann sich laut Schindler gemeinsam mit der Ertragseinbuße gegebenenfalls zu „einem Teufelskreis“ aufschaukeln. Er meint damit die deutlich höheren Marktpreise im Vergleich zu konventionell erzeugten Agrarprodukten. Sie lägen oft über der „Schmerzgrenze“ von einem Plus von 20 Prozent für äußerlich dasselbe Produkt, die viele, sonst durchaus naturbewußte Kunden gerade noch akzeptierten. Falls die Europäische Union künftig die umweltentlastende ökologische Anbauweise nicht wesentlich stärker als bisher honoriere, würden Brandenburgs Bio-Bauern wohl kaum aus ihrer kleinen Nische herauskommen, argwöhnt Schindler. Dann aber sei ein Segment bis zu 20 Prozent drin.

Einen Marktanteil von deutlich über 10 Prozent, wie er in anderen EU-Ländern wie Dänemark, Holland oder Österreich üblich sei, hält dagegen Jan Plagge von der „Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamischen Landbau“ in Eggersdorf (Märkisch Oderland) schon bald für erzielbar. Auf Berlins Naturkostmarkt seien Brandenburgs Bio-Bauern erst mit 35 Prozent an der ökologischen Warenpalette vertreten. Der Rest werde vor allem aus den alten Bundesländern importiert. Für Jan Plagge ist die 10-Prozent- Traumgrenze vor allem „eine Frage des Aufbaus professioneller Vermarktungsstrukturen“. Dabei hätten die Verbände in den vergangenen Jahren gute Fortschritte gemacht. Nun aber sei das Potsdamer Agrarministerium dabei, „uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen“.

Der aktuelle Streit mit Minister Edwin Zimmermann (SPD) entzündete sich unlängst am lieben Geld für das bevorstehende Förderungsjahr 1998. Grundsätzlich hat jedes mit einem staatlichen Zertifikat versehene biobäuerliche Unternehmen auch in Brandenburg Anspruch auf Flächenbeihilfe, ohne die es angesichts des „Teufelskreises“ aus Minderertrag und höherem Marktpreis im Normalfall nicht überlebensfähig ist. Der allergrößte Teil der 233 anerkannten märkischen Öko-Betriebe, die rund 43.000 Hektar bewirtschaften, braucht allerdings im kommenden Jahr nicht zu bangen. Er wird auch weiterhin nach dem Kulturlandschaftsprogramm („Kulap“) bezuschußt. Noch unsicher sei dagegen die Förderzukunft für 45 Betriebe auf rund 7.000 Hektar, räumt Georg Schindler ein. Ihre Bauern kommen aus dem 1997 auslaufenden EU-Extensivierungsprogramm und hoffen auf Übernahme in das Kulap-Programm. „Keine Neuanträge für 1998 mehr möglich“, teilte aber Minister Zimmermann Mitte Oktober den kreislichen Agrarämtern mit. Grund seien Spar- und Haushaltszwänge sowie die ausbleibende Kofinanzierung des Bundes beim EU-Bund-Land-Fördermix des Kulap-Programms, heißt es in Potsdam.

Dabei gehe es um die vergleichsweise geringe Summe von 250.000 Mark, mit der aber etwa 150 Arbeitsplätze erhalten werden könnten, rechnet Jan Plagge den Brandenburger Landesanteil gegen. In seinen Augen könnte die Viertelmillion anderswo im Agrar- Etat 1998 leicht eingespart werden, beispielsweise bei der zu üppigen Subventionierung des integrierten Anbaus.