Italiens Bürgermeister testen die Stimmung

■ Bei den Kommunalwahlen am Sonntag sind die Linksliberalen Favoriten – obwohl sie tüchtig untereinander zerstritten sind. Die rechte Opposition hofft lediglich auf Achtungserfolge

Rom (taz) – Mehr als 15 Millionen Italiener stimmen am kommenden Sonntag über ihre Bürgermeister und Stadträte ab. 1993 waren in nahezu allen großen Städten linksliberale Kandidaten gewählt worden – sie gelten auch jetzt als Favoriten. Dabei können sich nicht alle Kandidaten der vollen Unterstützung ihrer früheren Freunde erfreuen. In Rom zum Beispiel liegt der Grüne Francesco Rutelli, der für das linksliberale Olivenbaumbündnis antritt, in heftigem Streit mit dem früheren Vorstandssprecher der Grünen, Ripa de Meana. Der hält den Bürgermeister mittlerweile für einen „arroganten, an keinerlei ökologischem Wert orientierten“ Yuppie – und er steht damit nicht allein, da Rutelli sein Wahlversprechen einer „neu begrünten Hauptstadt“ nicht einmal ansatzweise wahr gemacht hat.

In Genua hat die Mehrheitsfraktion des Olivenbaumbündnisses, die Demokratische Partei der Linken, den höchst erfolgreichen und angesehenen Bürgermeister Adriano Sansa fallenlassen und durch einen ganz dem Parteiapparat hörigen Nobody ersetzt. Der bisherige Stadtchef war zu selbständig und unabhängig aufgetreten, hatte seine Dezernenten nach fachlicher Qualität und nicht nach Parteibuch ausgesucht und den in Genua als Regionalfürst herrschenden Verkehrsminister Burlando immer wieder heftig wegen dessen – auch ansonsten einhellig gescholtener – Unfähigkeit in Sachen Planung und Projektierung kritisiert. Da Sansa nun mit einer freien Wählerliste kandidiert, kann die Stadt insgesamt der Linken verlorengehen.

In Palermo steigt zwar der 1993 mit dem absoluten Rekord von 75 Prozent Stimmen gewählte Anti- Mafia-Bürgermeister Leoluca Orlando wieder in den Ring, aber aufgestellt hat ihn das linksliberale Bündnis nur mit Zähneknirschen – es hatte schlichtweg keinen glaubwürdigen Kandidaten aufgetrieben. So stehen die Chancen seines Gegenkandidaten Giovanni Micciche von der rechten Forza Italia nicht schlecht, dem bisherigen Bürgermeister zumindest die absolute Mehrheit streitig zu machen und ihn damit in die Stichwahl zu zwingen.

In Neapel und Venedig scheint die Sache schon im ersten Wahlgang auf einen eindeutigen Sieg der bisherigen Bürgermeister hinauszulaufen: In Venedig hat der Philosoph Massimo Cacciari eine große Popularität erreicht und wurde geradezu emphatisch gedrängt, wieder zu kandidieren. In Neapel hat sich das Schlitzohr Antonio Bassolini mit zahlreichen Initiativen – so etwa die Überführung großer Teile der städtischen Anlagen und Besitztümer in eine sogar an der New Yorker Börse gehandelte Aktiengesellschaft – nahezu unentbehrlich gemacht.

Probleme könnten sich am Ende dennoch auch für die Bürgermeister ergeben, die schon im ersten Wahlgang gewählt werden: Im Unterschied zu den Siegern einer Stichwahl bekommt ihre Partei keinen Stimmenbonus im Stadtrat – was bedeutet, daß der Bürgermeister möglicherweise gegen eine Mehrheit regieren muß.

Obwohl Kommunalwahlen im allgemeinen keine zuverlässigen Aussagen über die Stimmung der Bevölkerung gegenüber der in der Hauptstadt regierenden Koalition sind, haben die meisten Parteifürsten die Wahl zum Test für die seit Mitte vorigen Jahres regierende Mitte-Links-Koalition erhoben. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Abschneiden der Rifondazione Comunista. Sie marschieren diesmal stärker für sich selbst als vor vier Jahren: Die Linksdemokraten nehmen den Neokommunisten noch immer die im Oktober von ihnen provozierte Regierungskrise übel. Sie wollen herausfinden, ob die Trennung von den linken Ex-Genossen zusätzliche Stimmen von der liberalen Mitte bringt. Und die Rifondazione möchte umgekehrt beweisen, daß ohne sie in Rom derzeit nicht regiert werden kann.

Die unglücklichste Figur von allen macht die Opposition: In den meisten großen Städten war es ihr erst nach zahlreichen Fehlversuchen gelungen, überhaupt Kandidaten aufzutreiben – denn niemand wollte sich als chancenloser Zählkandidat zur Verfügung stellen. So wäre es für die Rechte schon ein Erfolg, wenn sie möglichst viele Mitte-Links-Kandidaten in die Stichwahl zwingen könnte. Ein grundlegender Unterschied zur letzten Wahl, wo die erstmals „hoffähig“ gewordene neofaschistische Nationale Rechte (damals noch Movimento Sociale genannt) in Rom und in Neapel weit mehr als 40 Prozent erreichte und in den kleineren Städten schließlich mehr als fünf Dutzend Bürgermeister stellte. Werner Raith