Champagner für die gestreßten Minister

Sechsstellige Übergangs- und Ruhegelder? Für Bonn kein Problem. Wie das neue Ministergesetz erst angenommen, dann abgelehnt und am Ende im Bundestag wegen Mangels an Opposition doch angenommen wurde  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

„Wer viel arbeitet, wer sein Privatleben opfert, wer seine Gesundheit opfert, wer Tag und Nacht arbeitet – ich meine, der hat ein angemessenes Entgelt verdient.“ Sollen die Minister und Staatssekretäre, von denen Erwin Marschewski (CDU) im Bundestag ein so bedrückendes Bild malte, ja auch bekommen. Bei der Debatte im Plenum ging es gar nicht um ihre Bezüge, sondern um die Neuregelung von Übergangs- und Ruhegeldern.

Diese Zuwendungen sollten ursprünglich einmal die Unabhängigkeit der Politiker stärken. Inzwischen haben sie jedoch schwindelerregende Höhen erreicht. Selbst Spitzenverdiener in der Wirtschaft sind schlechter gestellt: Sie erwerben in vier Jahren Rentenansprüche von monatlich rund 300 Mark. Ein Minister hat nach einer Legislaturperiode Anspruch auf ein Ruhegehalt von 6.607 Mark im Monat. Öffentliche Empörung über politische Großverdiener brachte die Regierung in Zugzwang. Mit einem neuen Gesetz sollten wenigstens krasse Mehrfachverdienste ein klein wenig beschnitten werden. Weitergehende Forderungen der Opposition waren von vornherein chancenlos.

Der federführende Innenausschuß hatte das Gesetz schon durchgewunken, und dasselbe wurde auch vom Rechtsausschuß erwartet. Dort aber rechnete der grüne Abgeordnete Gerald Häfner seinen Kollegen vor, daß Regierungsmitglieder auch sechsmal besser gestellt sind als Abgeordnete. Dafür gebe es einleuchtende Gründe, meinte dazu eine Beamtin des Innenministeriums. Die seien doch im Unterschied zu Parlamentarieren so belastet, daß sie nicht noch nebenher ihren Beruf ausüben können. Das ging den Abgeordneten denn doch über die Hutschnur. „Ich halte es für hanebüchen, daß uns solch eine Erklärung angeboten wird“, meinte der CDU-Abgeordnete Horst Eylmann später im Plenum. Einstimmig lehnte der Rechtsausschuß die Vorlage der Bundesregierung ab und forderte den Innenausschuß auf, das Gesetz noch einmal gründlich zu überarbeiten.

Die Regierungsmehrheit drohte zu kippen. Eilig stellten die Grünen einen versöhnlichen Änderungsantrag zum neuen Gesetz. Darin verzichteten sie auf fast alle ursprünglichen Forderungen, schien doch auf einmal die Chance zu bestehen, wenigstens eine Gleichstellung von Regierungsmitgliedern mit Abgeordneten zu erreichen. Auch die SPD schloß sich dem an. Im Plenum wurde es unruhig. In der Lobby war später zu hören, daß einige Unionsabgeordnete durchaus bereit gewesen wären, dem grünen Änderungsantrag oder einer Rücküberweisung in den Innenausschuß zuzustimmen – wenn denn eine Chance für eine Mehrheit bestanden hätte.

Sie bestand nicht. Es war SPD und Grünen nicht gelungen, für die Debatte nach 18 Uhr genug eigene Abgeordnete ins Parlament zu bringen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde fast einstimmig verabschiedet. Die meisten Parlamentarier schlossen sich also der Einschätzung an, daß sie mit ihrer Arbeit nicht voll ausgelastet sind. „In einer Zeit, in der pausenlos Bürgern Einschnitte bei Sozialleistungen zugemutet werden und die öffentlichen Haushalte kaum noch finanzierbar scheinen, predigt diese Bundesregierung Wasser und genehmigt sich selbst schenkelklopfend Champagner“, sagt der Grüne Gerald Häfner.