Springer-Chef schmeißt Brocken hin

Der wirtschaftlich äußerst erfolgreiche Jürgen Richter geht zum Jahresende wegen „persönlicher Verunglimpfungen“. Großaktionär Kirch hatte Abgang betrieben  ■ Aus Berlin Lutz Meier

Berlin (taz) – Am Ende war es kein Knall mehr, sondern nur noch eine kurze Mitteilung an den Aufsichtsrat. Der Vorstandsvorsitzende von Europas größtem Zeitungshaus, Jürgen Richter, schmeißt die Brocken hin. Am Freitag teilte er dem Aufsichtsrat des Springer-Verlags mit, er wolle seinen Vertrag nicht verlängern – doch offenbar wollten sich beide Seiten schon vor dessen Ablauf mit der Jahrtausendwende nicht mehr sehen: Richter geht zum Jahresende. Seine Begründung: „Aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen und ihrer publizistischen Begleitung“ und wegen der „persönlichen Verunglimpfungen“ erkläre er den Rücktritt.

So schnell ist noch kaum eine Karriere an ihr Ende gekommen: Noch im Juli hatte sich der Mann, der einst den Verlag von Helmut Kohls Magenblatt Rheinpfalz führte, vor die Aktionäre gestellt und von „meinem Unternehmen“ gesprochen. Zum Stolz hatte er allen Grund: Bei der Hauptversammlung konnte Richter einmal mehr auf Rekordumsätze und Gewinne verweisen, seit seinem Amtsantritt im Jahr 1994 hatte sich der Unternehmenswert mehr als verdoppelt. So unangefochten und uneingeschränkt wie Richter regieren selbst in der Medienbranche nur wenige Manager.

Doch der Auftritt vor den Aktionären markiert auch schon den Beginn von Richters steilem Fall, der sich noch rasanter vollzog als einst sein glänzender Aufstieg. Wenige Tage zuvor hatte Richter den Bild-Vize und Kohl-Biographen Kai Diekmann geschaßt und damit begangen, was ein Verlagsintimus einen „Anfängerfehler im Allmachtsrausch“ nannte. Weniger die Tatsache der Versetzung als die Art, wie Richter Aufsichtsrat und Bild-Spitze umging, brachten erstmals auch die Richter wohlgesinnten Räte um Springer- Witwe Friede gegen sich auf, die die Verlagserben vertritt – die halten die Unternehmensmehrheit. Wochen trieb der Verlag in dieser Sache führungslos dahin.

Eine Flanke für Leo Kirch. Dem Springer-Großaktionär und Richter-Intimfeind kam zudem zupaß, daß Richter es in dieser Zeit an der Fürsorge für Friede Springer hat fehlen lassen, die ihm anfangs deren schützende Hand sicherte. Erstmals wurden zarte Bande zwischen der Erbenseite und dem Springerpiraten Kirch geknüpft. Zusätzlich für schlechte Stimmung sorgte, daß Richters scharfes Kostenmanagement auch vor alten Springer-Recken nicht haltmachte.

Kohl-Freund Kirch paßte die ganze Linie nicht: Immerhin hatte Richter mehrmals politische Unabhängigkeit der mächtigen Springer-Blätter (Bild, BZ, Welt) im Wahljahr angemahnt – weniger aus Liberalität als aus Sorge um die Rendite. Die verunglückte Verabschiedung Diekmanns, der ein enges publizistisches Dreieck mit Kirch-Intimus Joachim Theye und Kanzlerberater Fritzenkötter unterhält, sollte das Fanal dazu sein. Kirch, der munter die Presse mit Springer-Interna füttern ließ, brauchte nur noch abzuwarten. Gegen den Kanzler, so die Logik der Argumentation des Medienunternehmers, darf bei Springer nicht Politik gemacht werden.

Die Nachfolge Richters ist völlig offen. In der Presse war über Michael Grabner, den Zeitungsmanager des Holtzbrinck-Konzerns, spekuliert worden. Im Verlag wird über eine interne Lösung geredet.