Mühsam kaschierte Niederlage

■ Die EU-Botschafter kehren nach Teheran zurück

Die deutsche Diplomatie kann stolz sein. Nicht gedemütigt und von allen Freunden verlassen, sondern erhobenen Hauptes und Arm in Arm mit dem französischen Kollegen kehrt der deutsche Botschafter eine Woche nach den übrigen zwölf EU- Botschaftern am kommenden Freitag nach Teheran zurück.

Die europäische Solidarität sei eindrucksvoll gewesen, heißt es in Bonn. Die Hardliner des iranischen Regimes hätten letztlich zurückstecken müssen und schließlich akzeptiert, daß die EU-Botschafter in zwei Gruppen zurückkehren. Um darin eine Entschuldigung für den Mord an vier oppositionellen iranischen Kurden in Berlin und die Zusicherung, zukünftig keine weiteren Killerkommandos zu schicken, zu sehen, muß man die Geste schon sehr großzügig interpretieren. Letztlich zeigte sich doch nur, daß den Ländern der EU an Wirtschaftsbeziehungen zum Iran mehr gelegen ist als an der Durchsetzung bestimmter Standards im Verhalten von Staaten zueinander.

Trotzdem kann die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen sinnvoll sein. Seit dem Urteil im Mykonos-Prozeß im Frühjahr hat es im Iran eine entscheidende Veränderung gegeben. Gegen den Willen der konservativen Kleriker, vor allem gegen den Willen von Revolutionsführer Chamenei, wurde mit großer Mehrheit ein Präsident gewählt, der den Iranern Reformen versprochen hat. Seitdem ist gewiß, was zuvor nur gemutmaßt wurde: Die Iraner habe die extreme Form der islamischen Gängelung satt, sie wollen ihre Selbstbestimmung im Alltag zurück, und sie wollen eine Normalisierung in den internationalen Beziehungen. Das ist die Chance für die europäische Diplomatie.

Noch ist der neue Präsident Chatami durchweg mit Institutionen konfrontiert, die sich jeder Liberalisierung widersetzen. Noch ist völlig unklar, ob und wie er sich durchsetzen kann. Eine kluge Unterstützung von außen kann er aber sicher brauchen. Wenn mit der Rückkehr nach Teheran eine Strategie verbunden ist, die Wünsche der Bevölkerung zu unterstützen, ist es jeden Versuch wert. Geht es jedoch lediglich darum, den Herrschern in Teheran neue Kraftwerke oder Waffen zu verkaufen und den Iran im Spiel um Einflußsphären wieder stärker gegen Saddam Hussein in Stellung zu bringen, werden die Europäer sich zu Recht die nächste Niederlage einhandeln. Jürgen Gottschlich

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