Der feine Zug durch den Kakao

■ Natasza Goerkes Erzählungen-Band „Sibirische Palmen“

Es gibt einfach Dinge, die wollen nicht zueinander passen. Frack mit Strohhut, Kaffee mit Zitrone, brennende Giraffen in der Wüste. Doch tragen solche Gegensätze Energien in sich. Surreale Kraft, bei der der Atem stockt, die Kinnladen der Schwerkraft nachgeben. Auf diese Energien trifft der Leser in der Erzählungen-Sammlung der polnischen Schriftstellerin Natasza Goerke. Auf 88 Seiten betrachtet man Alltagssituationen. Männer sprechen mit Frauen, ein Junge redet mit einer Taube, das Leben geht seinen Gang.

Doch nichts ist so, wie man denkt: Es gibt Palmen in Sibirien, ein dreijähriges Mädchen faßt den Entschluß, Philosophin zu werden, und eine betrogene Ehefrau steigt benzinübergossen in die Flammen des Kamins. Doch die Charaktere, die man im Panoptikum der Goerkschen Erzählungen kennenlernt, bleiben seltsam blaß und schemenhaft.

Bestes Beispiel ist Konstantin Jirzi Musk in „Geburtsstunde II“: Der junge Schriftsteller, der genauso häßlich wie talentlos ist, wird erst durch einen falsch abgedruckten Titel einer von ihm verfaßten Novelle zum Star. Ein sodomistisches Verhältnis zu einer Bärendame wird angedeutet, und außerdem erfahren wir, daß Konstantin gerne Eier ißt.

Ein Mosaik von obskuren Beschreibungen und Andeutungen wird im Text zerschlagen, und der Leser beginnt, die Teile mühevoll zusammenzusuchen. Leider erfolglos. Die Symbole der seit 1985 in Hamburg lebenden Autorin lassen sich nur schwer aufhebeln und mit Bedeutung füllen. Dies würde vermutlich absurd und überaus sinnlos wirken, wäre da nicht der feine Zug durch den Kakao, mit dem die Autorin ihre Figuren vorführt. Dieser Humor der Autorin ist es, der den Erzählungen trotz ihres kühlen Grundtenors Leichtigkeit verleiht.

In grotesken Szenen und Situationen (ein polnisch-tibetanisches Paar lebt in Dänemark und philosophiert über Religion) wird nicht die Problematik verschiedener Kulturen lauwarm aufgegossen. Beide Charaktere werden in ihrer seltsamen Verschrobenheit ins Rampenlicht des Textes geschubst. Da stehen sie, der Leser darf sie anschauen und in manchem Absatz auch eine geistvolle Wendung abstauben: „... mir verschindet vom Bildschirm der Text, den ich über ihn schrieb: Der Computer spielt den Zensor und hat ihn aufgefressen.“Und dabei bleibt es.

Dinge, die einfach nicht zusammenpas-sen wollen und trozdem Spaß machen, sie durch Worte Natasza Goerkes zu betrachten. Auf 88 Seiten wachsen Sibirische Palmen, und es lohnt sich hinzuschauen.

York Pijahn

Natasza Goerke: „Sibirische Palmen“, Rospo Verlag, 88 Seiten, 38 Mark