Unter der Komik Katastrophen

■ Der Regiedebütant Markus Baumhaus inszeniert Ayckbourns „Treppauf – Treppab“in Bremerhaven als hintergründiges Stück

Vielleicht war es Angst vorm Boulevard, vor englischen Spitzen? Jedenfalls blieb das zu Premieren sonst ausverkaufte Große Haus des Bremerhavener Stadttheaters am Wochenende zur Hälfte leer. Alan Ayckbourns Komödie „Treppauf – Treppab“(Taking Steps) stand auf dem Programm. Und sechs Akteure zeigten unter Regie des blutjungen Debütanten Markus Baumhaus auch vor halbvollem Saal, daß unter der Oberfläche des Ayckbourn'schen Verwechslungsspiels feine Stiche sitzen, die die vermeintlich seichte Kost mit bitteren Pointen aufladen.

Das Stück zeigt die Innenräume einer ziemlich verrotteten Villa. Was sich da auf drei Ebenen entwickelt, muß laut Regieanweisung auf einer einzigen Spielfläche abgespult werden: Das ist für alle Beteiligten – zwei Frauen und vier Männer – ein artistisch-pantomimischer Balanceakt von höchster Konzentration. Denn sie müssen auf gar nicht vorhandenen – und nur als Geländer angezeigten – Wendeltreppen permanent die fiktiven Etagen wechseln. Viel Beweglichkeit und punktgenaues Timing verlangt Ayckbourns Treppenspiel, es ist aber vor allem mehr als ein hübscher Witz: In dieser abgelegenen Villa lebt der Gießkannen- und Mülleimerfabrikant Roland (Kay Krause) mit seiner attraktiven Gattin (Isabella Wolf), die sich nach ihrem Leben als Fernsehballerina zurücksehnt und gerade dabei ist, ihren Mann zu verlassen. Weiteres Personal: Ihr Bruder, der unglücklich mit einer Göre namens Kitty verlobt ist, ein Bauunternehmer, der dringend Geld braucht, und der linkische Anwalt Tristram. Einen Abend, eine Nacht und einen Morgen kommen sie heraus und herein, treten auf und ab, laufen die imaginären Stufen hoch und runter.

Das ist teilweise slapstickhaft munter und lebt buchstäblich von der Schnelligkeit der Running gags. Aber unter der Komik sammeln sich die Katastrophen, ausgelöst von mehreren Abschiedsbriefen, vom Alkohol und von den ungelebten Träumen fast aller Beteiligten. Am Ende verlassen zwei von ihnen das gefährlich brüchige Haus.

Markus Baumhaus und der Bühnenbildner Stephan Rinke haben mit viel Liebe zum Detail die Villa eingerichtet: Da fallen Dachziegel herunter, ein surrealistisches Gießkannengerüst senkt sich auf das Gebäude, eine Wasserboiler kippt fortwährend aus der Fassung, im Vordergrund wühlt sich ein Maulwurf aus dem künstlich-grünen Krickett-Rasen. Maulswurfsarbeit im künstlichen Lebensgehege der sauberen Kleinbürgerwelt ist Ayckbourns Anliegen – oder in den Worten Oscar Wildes: „Wer unter die Oberfläche dringt, tut es auf eigene Gefahr.“Dank Baumhaus ist das gefährliche Leben nicht nur spaßig, sondern auch spannend-hintergründig. Hans Happel

Weitere Aufführungen: 18. November, 10. und 20. Dezember