Weltschmerz aus der Leichenhalle

■ Durchgestylt und gut gelaunt mit schlechter Stimmung: Die amerikanische Gruppe 16 Horsepower konzertierte im Moments

Eine Hamburger Band namens Fink hatte einen undankbaren Job. Sie sollte das Publikum auf den Hauptact einstimmen. Ihre Country-Songs mit dezentem Blues-Einschlag in deutscher Sprache rissen die Anwesenden am Sonnabend im Moments immerhin zu einem freundlichen Applaus hin. Doch eigentlich warteten sie auf 16 Horsepower. Schließlich kommen die aus dem Mutterland der ländlichen amerikanischen Musik – Country, Cajun und Bluegrass – und vor allem des Blues. Außerdem singen sie dabei in Englisch, und das scheint immer noch die einzig mögliche Sprache für diese Art von Musik zu sein, wie der direkte Vergleich mit Fink zeigte.

16 Horsepower boten hingegen keinerlei Angriffsflächen. Auch wenn es von den fünf Musikern aus Denver nicht geplant gewesen sein mag: In seiner Dramaturgie und seiner Optik wirkte der Auftritt des Quintetts perfekt durchgestylt. Morbide Songs von Gräbern, verlassenen und einsamen Männern, von Jesus, Tod und Teufel, sämtliche Dämonen der amerikanischen Folklore spukten durch die Songs.

Die Musiker selbst sahen aus, wie einer Vaudeville-Show der Jahrhundertwende entsprungen, ihrer Mimik nach zu urteilen hätten sie aber auch ein Beerdigungsinstitut auf Wochenendausflug sein können. Vor allem der zweite Gitarrist verzog über die gesamte Distanz keine Miene, schaute auch noch traurig drein, wenn die Band zu rocken begann. Das geschah öfter mal, und sie rockten dann auch wirklich, aber nicht aus Lebensfreude, sondern eher mit dem Impetus von Getriebenen. Besonders David Eugene Edwards, der seinen Vortrag wahlweise mit Mandoline, Gitarre, Banjo oder auf einem barock verzierten Akkordeon begleitete, gab den leidenden Künstler mit unstetem Blick und großer Inbrunst. Seine dramatisch vibrierende Stimme erinnerte an große Blues-Sänger wie Nick Cave, Jeffrey Lee Pierce und Hank Williams.

Der Mann, der angeblich von seiner Mutter schon als kleiner Junge ins Leichenschauhaus mitgenommen wurde, wäre wahrscheinlich auch ganz allein in der Lage gewesen, die Blicke der Anwesenden an sich zu fesseln. So verzichtete er teilweise völlig auf die Begleitung seiner Band, die sich wahrscheinlich hinter der Bühne mit Jack Daniels über ihren Blues hinwegzuhelfen suchte. Das eher ältere Publikum sah offensichtlich gern zu, wie da jemand seine Seele bloßlegt und nicht einmal Lebensfreude versprüht, wenn die Band einen Walzer spielt. Ein einziges Mal überzog ein Lächeln das Gesicht des Herrn Edwards, als die Band zur ersten von zwei Zugaben wieder auf die Bühne kam und die enthusiastischen Akklamationen des Publikums ihn wohl doch beeindruckten.

Bei der zweiten Zugabe rockten 16 Horsepower dann gar so beherzt, das dem Manne schon während der ersten Takte die gerade erst entzündete Zigarette aus dem Mund fiel. Das Ende: Ein höfliches Dankeschön, man wisse sehr zu schätzen etc., Abgang, Vorhang, Begeisterung. Ein gelungenes Konzert. Andreas Schnell