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: Es darf gefeiert werden: „Silvester 2000“ in der Bar jeder Vernunft

Schon beim Warm-up für diese fiktive Aufzeichnung der Silvestergala 2000 für ein ominöses „Regina TV“ gibt sich das Publikum als klatschwütige Statistenschar der Partylaune hin. Auf Kommando fliegen die Luftschlangen, und die Besucher werfen sich wildfremden Sitznachbarn küssend in die Arme. Die Teufelsberg Produktion liefert mal wieder eine Show als Mixtur aus Medienkritik in Trashversion und ethnologischen Einblicken in den Urberliner Alltag. In „Silvester 2000“ wird jede Freitag- und Samstagnacht im Spiegelzelt die peinlich tragische Realität unserer Fernsehwirklichkeit aufgedeckt und per Regieanweisung ausgelassene Stimmung abgefordert.

Auf einer Videoleinwand verfolgen wir die Außenwerte mit Edith und Hotte, dem Neuköllner Prolo-Paar und Kernstück des Teufelsbergschen Universums. Sie jetten von Moskau bis Peking, um deutsche Silvesterbräuche in die weite Welt zu tragen – und in der Hoffnung auf den großen Preis in Form einer Tonne Bruchbrikett. Währenddessen tobt auf der Bühne das Rapperinnen-Trio „Die Schweiß-Girls“, präsentiert die Karlshorster Grundschullehrerin Frau Höhne in Vertretung von Helmut Kohl die Fernsehansprache zum Jahreswechsel und wird dem lesbischen Country-Duo „The Dakota-Dykes“ nach flammenden Emanzipationsappellen von einer empörten Besucherin das Mikrophon entzogen.

Die Idee der Silvester-TV-Aufzeichnung ist nicht neu. Vor ein paar Jahren bedienten sich die Teufelsberger schon einmal dieser Rahmenhandlung, in die sich problemlos jede Menge Halb- und Vollplayback-Shownummern einbauen lassen. Mit „Silvester 2000“ jedoch hat sich die Truppe um Ades Zabel, Olaf Wriedt, Patra Krause und Bob Schneider entscheidend perfektioniert, ohne Spontanität und subversiven Witz zu verlieren. In Mario Pavlica und Stefan Bachtejeff (als bleichem Ex-DFF-Aufnahmeleiter mit Stasi- Vergangenheit) hat das Comedyteam zwei neue, erfrischende Gesichter bekommen, die allerdings nur schwer die Lücke schließen können, die mit dem Ausscheiden der originären wie originellen Uschi Sobotta (alias Achim Staudte) entstanden ist. Das Teufelsberg-Chaos für hartgesottene Trash-Liebhaber jedoch geht ungehindert weiter. Mindestens bis zum Jahr 2000. Axel Schock

Bis Silvester 97, jeweils Freitag/Samstag, 24 Uhr, Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24.