Sündenbock

■ Die Münchner "AZ" trennt sich von ihrem stellvertretenden Chefredakteur Arno Luik

München (taz) – Der Mann hat es nicht leicht. Im Frühjahr 1996 machte sich Arno Luik bei Teilen der taz unbeliebt – unter anderem führte der Vorwurf, er wolle aus der taz ein Boulevardblatt machen, zur Trennung von ihm als Chefredakteur.

Das galt in München als Auszeichnung, und deshalb holte man Luik im Oktober 1996 als stellvertretenden Chef zur Abendzeitung. Jetzt ist Luiks Karriere auch dort beendet, seit Freitag befindet er sich offiziell im Urlaub. Er wird wohl nicht zurückkehren: Chefredakteur Uwe Zimmer will sich zu dem Vorgang nicht äußern; die Verhandlungen über eine Abfindung für Luik haben wohl bereits begonnen.

Luiks Rausschmiß vorangegangen war eine spektakuläre Umstrukturierung der Abendzeitung, bisher ein ebenso spektakulärer Mißerfolg. Der Münchner Zeitungsmarkt ist seit Jahren hart umkämpft. Neben den beiden Abo- Blättern Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur suchen täglich noch drei Boulevardblätter ihre Anzeigenkunden und Käufer: die Bild-Zeitung, die tz und die Abendzeitung.

Um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden, veränderte die Abendzeitung im April ihr Gesicht. Chefredakteur Uwe Zimmer verkündete damals, es gebe nur zwei Alternativen, um auf die Konkurrenz des Privatfernsehens zu reagieren: „Noch marktschreierischer zu arbeiten, oder zwischen der klassischen Boulevardzeitung und der SZ Raum für eine Boulevardzeitung feinerer Prägung zu suchen.“ Während die neuen Chefredakteure der tz, beide Ex- Bild, erfolgreich den ersten Weg beschritten, dafür aber nach Meinung unzufriedener Kollegen „keinen vernünftigen deutschen Satz schreiben können“, setzte man bei der AZ neben der kompletten Umgestaltung des Layouts auf eine inhaltliche Neuordnung. Längere Texte statt knapper Meldungen und die Gliederung des Blattes in vier Bücher („Kultur“, „Sport“, „München“ und „Heute“), dazu wöchentliche Seiten zu Rock und Pop, Hochschule und Computer sollten vor allem junge Leute dazu bewegen, die Zeitung zu lesen.

Die Rückkehr des Rubbelkönigs

Doch die Leser belohnten die Anstrengungen nicht. Mit ihrer München-Ausgabe hat die Abendzeitung laut IVW im zweiten Quartal gegenüber 1996 um 7,56 Prozent verloren, verglichen mit dem ersten Quartal, beträgt der Rückgang 2,75 Prozent auf rund 189.000 Exemplare. Um diese Talfahrt abzubremsen, kehrt man inhaltlich nun ins Reich des Rubbelkönigs zurück. Regelmäßige Gewinnspiele für die Leserschaft und seichtere Themen sollen die Auflage wieder steigern – Kritiker aus dem Haus nennen das Blatt bereits eine „Form ohne Inhalt“.

Der Sündenbock für die kommerzielle Fehlentwicklung der Abendzeitung heißt Arno Luik. Fast scheint es so, als hätte der neue Mann die Zeitung hinter dem Rücken von Chefredakteur Zimmer und Verlag heimlich und ohne deren Wissen umgekrempelt, und nun sei man dem Verschwörer auf die Schliche gekommen. „Alles, was an der AZ neu ist, kommt von Luik“, hört man in München, und was eigentlich ein Kompliment ist, wird nun zum Kündigungsgrund. Stefan Kuzmany