Jelzin deckt Tschubais

■ Rußlands erster Vizepremier verdient mit einem obskuren Buchprojekt 90.000 US-Dollar

Moskau (taz) – „Die Zerschlagung des Schriftstellerverbandes“ titelte die Moskauer Tageszeitung Kommersant am Samstag. Moskau ahnte große Ereignisse. Und diese ließen nicht auf sich warten. Synchron, wie in einem Krimi von Raymond Chandler, reagierten Regierung und Unterwelt am Wochenende auf den letzten Politskandal der Hauptstadt. Die mit Spannung erwartete Nachricht allerdings blieb aus: Präsident Boris Jelzin nahm das Rücktrittsgesuch des ersten Vizepremiers Anatoli Tschubais nicht an. Jelzins Begründung: Die Krise der Staatsfinanzen erlaube die Entlassung des erfahrenen Wirtschaftsexperten nicht.

Tschubais ist einer von fünf Co- Verfassern einer „Geschichte der Privatisierung in Rußland“. Für den potentiellen Ladenhüter erhielten die Autoren ein unmäßiges Honorar von 90.000 US-Dollar pro Person. Zu dem schöpferischen Kollektiv gehören auch der frischgebackene Minister für Staatseigentum, Maxim Bojko, der stellvertretende Leiter der Administration des Präsidenten, Alexander Kasakow, und der hohe Staatsbeamte Pjotr Mostowoj, dazu Alfred Koch, Bojkos Vorgänger an der Privatisierungsquelle. Koch ist ohnehin seines Amtes entkleidet und mit einem Verfahren der Staatsanwaltschaft konfrontiert. Die übrigen drei verloren am Wochenende ihre Posten.

Weniger die Honorare bildeten den Stein des Anstoßes. Vielmehr verstehen hierzulande selbst einfache BürgerInnen, daß hinter dem zahlenden Verlag die UNEXIM- Bank stand, jene Finanzgruppe, die bei den letzten beiden Privatisierungsauktionen den Zuschlag erhielt. Gegen den Chef der Bank, Alexandr Potanin, richtetete sich am Freitagabend eine Bombendrohung. Die Bürgerin, die sie telefonisch ausstieß, nannte sogar ihren Namen, den aber niemand kennt. Anonym blieb die Ursache, dank der sich seit Freitag abend der Oberstleutnant Oleg Romanow, Mitarbeiter der Steuerpolizei, in der Reanimation befindet. Ihn überfuhr ein Auto mit ausgeschalteten Scheinwerfern. Romanow gilt als scharfer Kritiker der letzten Privatisierungsauktionen und ermittelte gegen die UNEXIM-Bank. Barbara Kerneck

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