Wenn die Behörden sich viel Zeit und Muße lassen

■ Ein ZDF-Test ergab, daß in manchen städtischen Ämtern einfachste Bürgerwünsche monatelang unbeantwortet bleiben. Moderne Techniken werden für allerlei Spielereien genutzt

Berlin (taz) – Die Berliner Senatsverwaltung reagierte, als hätte Dagmar Th. darum beten, ihr die Triebwerke einer Sojus-Rakete zu erklären.

Drei Monate lang schwieg die Verwaltung hartnäckig. Dabei hatte Dagmar Th. um eine einfache Auskunft gebeten. Sie erwarte einen Studenten aus England und wolle wissen, wo er eine Lohnsteuerkarte holen könne. Neunzig Tage später erhielt sie eine handgeschriebene Mitteilung der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, der Student möge sich an das zuständige Bezirksamt wenden. Ein Glück, daß Dagmar Th. gar keinen Studenten erwartete. Sie hatte lediglich ihren Kollegen vom ZDF-Fernsehmagazin WiSo einen Gefallen getan. Die Redaktion testete 20 Stadtverwaltungen und Finanzämter auf ihre Kundenfreundlichkeit. Der Berliner Senatssprecher Michael Butz findet es kaum verwunderlich, daß die Auskunft drei Monate brauchte. Berlin sei Land und Kommune in einem: „Und in diesem Fall ist das Schreiben an das Land gerichtet, aber wir mußten das an den Bezirk abgeben, und das hat doch einige Zeit gedauert.“

Prima Aussichten haben nicht nur alle, die etwas in Berlin brauchen. Auch in anderen Städten mahlen die Mühlen der Bürokratie langsam. Die Stadtverwaltung Potsdam benötigte 25 Tage für Informationen zum Dienstleistungsabend beziehungsweise zu verlängerten Öffnungszeiten. Hans- Joachim Busse, Dezernent für Wirtschaft und Finanzen, ist „nicht der Meinung, daß es zu lange gedauert hat“. Schließlich sei im Juli Urlaubszeit gewesen. Nur in Schwerin, wo dieselbe Anfrage binnen 15 Tagen beantwortet wurde, zeigte man Verständnis. Zwei Wochen seien „nicht normal, und dieses kann auch nicht so bleiben“, meinte Axel Höhn, stellvertretender Oberbürgermeister.

WiSo fragte nach Investitionsprogrammen für neue Industrieansiedlungen und nach Unsatzsteuererklärungen. Im nachhinein rechtfertigten sich Behördenleiter stereotyp für die langen Bearbeitungszeiten: Urlaub, Krankheit, Überlastung, Personalabbau.

Eingesponnen in einen Kokon aus Aktendeckeln, Formularen und Stempelfarbe dösen Deutschlands Staatsdiener an ihren Schreibtischen. Zumindest aber modern geben sich viele Stadtverwaltungen. Dutzendweise suchen sie im Internet den Anschluß an den Fortschritt und präsentieren sich mit eigener Homepage. Doch welches Angebot zur Kontaktaufnahme bieten sie? Unter www.berlin.de kann sich der Interessierte dreimal täglich ein Foto von der Baustelle am Potsdamer Platz auf den Bildschirm rufen, auch Tips für Bars und soziale Projekte werden offeriert, aber Öffnungszeiten von Verwaltungen sucht man vergeblich. Die Stadt Bad Homburg wirbt mit „Champagnerluft und Tradition“, lädt zum heiraten im Park „Ohne Hektik zum Happy- End“ und bietet immerhin einen Überblick über die Eintrittspreise ins Schwimmbad. Die direkte Kommunikation mit der Verwaltung scheint eher ein Einzelfall.

Vorbildlich ist da die Stadt Oldenburg. Auf deren Homepage stellen sich die einzelnen Ämter mit kurzen Informationen über Öffnungszeiten und Lageplänen vor. Welche Unterlagen zum Ausstellen eines Personalausweises oder einer Lohnsteuerkarte benötigt werden, wird angegeben. Demnächst, wenn die elektronische Unterschrift gesetzlich geregelt ist, soll sich der Bürger per E-Mail auch ummelden können. Themen, die nicht auf der Homepage behandelt werden, können direkt per E-Mail angefragt werden. Die taz machte den anonymen Test. Die Bitte nach einem Ansprechpartner bei einer Firmenneugründung, am Donnerstag um 17 Uhr gestellt, war am Freitag, 8:09 Uhr beantwortet. Die Verwaltungen sind also doch nicht so lahm wie der ZDF-Test zeigt. Zumindest in Oldenburg. Annette Rogalla

WiSo, im ZDF heute um 19.20 Uhr