Fischer regiert grünen Parteitag

■ Den Kasseler Parteitag fest im Griff, läutet der grüne Fraktionsvorsitzende den Bundeswahlkampf seiner Partei ein. Das Motto: Kämpfen, kämpfen, kämpfen

Kassel (taz) – Neun Prozent und elf Mandate mehr: Dieses Ziel für die Bundestagswahl hat Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle den Bündnisgrünen auf ihrem Kasseler Parteitag vorgegeben. Und nach einer umjubelten Grundsatzrede des Fraktionsvorsitzenden Joschka Fischer zeigte sich der Parteitag sicher, ein solches Ergebnis erreichen zu können. Fischer wurde mit stehenden Ovationen gefeiert: Ein Novum in der Parteigeschichte.

„Kämpfen, kämpfen, kämpfen“ müsse man jetzt, beschwor Fischer die Grünen. Mit der SPD werde es zwar einen Machtwechsel geben, einen Politikwechsel gebe es aber nur mit Bündnis 90/Die Grünen. Die Partei dürfe nicht die Fehler der anderen machen, Versprechen zu geben, die nicht zu halten seien. Der Fraktionsvorsitzende ging in seiner Rede mit seinem eigenen Verhalten in der jüngsten Programmauseinandersetzung ins Gericht – und fand auf diese Weise auch die Zustimmung der linken Delegierten. Diese Debatte, so Fischer, sei nicht gut gelaufen, er nehme sich da gar nicht aus. Jetzt komme es darauf an, den Fehlstart in eine gelungene Landung umzusetzen.

Bereits am Freitag abend hatte der Sprecher des Bundesvorstandes, Jürgen Trittin, in seiner einleitenden Rede auf jegliche innerparteiliche Kritik verzichtet und damit seinen Beitrag zur Konsensstimmung geleistet. Für Trittin war die Chance für einen politischen Neuanfang noch nie so greifbar wie heute.

Der Parteitag beschloß ein Programm zur sozialen Grundsicherung. Sie soll die bisherige Sozial- und Arbeitslosenhilfe ersetzen. Sie besteht aus einer allgemeinen Pauschale von 800 Mark für eine alleinstehende Person und 560 Mark für jedes weitere Haushaltsmitglied. Für dieses neue System der sozialen Sicherung veranschlagen die Grünen Mehrkosten von 12 Milliarden Mark, die durch eine Reform der Erbschafts- und Vermögenssteuer kompensiert werden sollen. Die Grünen sprachen sich auch für die fristgemäße Einführung des Euro aus, fordern allerdings eine Korrektur des Amsterdamer Vertrages.

Der strittige Programmentwurf wird in den kommenden Wochen im Bundesvorstand überarbeitet. Er soll auf einem Parteitag im kommenden Frühjahr verabschiedet werden. Dieter Rulff

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