Kleines Silicon Valley in Amerikas Hinterhof

Aus Costa Rica soll bald jeder dritte Mikroprozessor kommen. Davon träumt man in El Salvador noch  ■ Aus San Salvador Toni Keppeler

Orlando Altamirano hat große Pläne. Schon im nächsten Jahr, kündigt er großspurig an, könne „weltweit“ Software „made in El Salvador“ angeboten werden. Das kleine Land in Mittelamerika könne „zum zentralen Informatik- Standort der Region“ werden. Altamirano ist Chef des „Nationalen Programms für Wettbewerbsfähigkeit“, das die salvadorianische Industrie auf High-Tech-Niveau katapultieren soll. Wie das in so kurzer Zeit geschehen soll, weiß er noch nicht. In diesem Monat hat er erst einmal eine Arbeitsgruppe installiert.

Ein paar hundert Kilometer weiter südlich, in Costa Rica, redet man weniger und handelt mehr. In der zoll- und steuerfreien Produktionszone San Antonio de Belén, rund 15 Kilometer nördlich der Hauptstadt San José, entsteht seit einigen Monaten ein kleines Silicon Valley. Nach Motorola, das dort bereits Komponenten für Mobiltelefone baut, hat Präsident José Maria Figueres zwei weitere dicke Fische geangelt: Intel, den unangefochtenen Star der Mikrochip-Produzenten (Jahresumsatz: 17 Milliarden Dollar), und Lucent Technologies, Weltmarktführer in der Entwicklung und Einrichtung internationaler Kommunikationsnetze (Jahresumsatz: 23,3 Milliarden Dollar). Intel baut bereits eine Chipfabrik für 2.000 Beschäftigte, Lucent plant ein Werk mit 500 Angestellten.

„Bereits Ende 1998 wird weltweit ein Drittel aller Mikroprozessoren aus San Antonio de Belén kommen“, sagt Cesar Quiasón, Geschäftsführer von Intel Costa Rica. Intel hat einen Marktanteil bei den PC-Prozessoren von weltweit 90 Prozent. Später werde die Belegschaft auf 3.500 Beschäftigte aufgestockt. Präsident Figueres spricht von „der wichtigsten Investition in der Geschichte Costa Ricas“. Er rechnet mit jährlichen Deviseneinnahmen von 300 Millionen Dollar. Nur Kaffee, das wichtigste Exportprodukt, bringt ähnlich viel Geld. Die Ansiedlung von High-Tech-Firmen ist nicht das Verdienst von Figueres. Eine zweijährige Rezession machte ihn zum unbeliebtesten Präsidenten in der jüngeren Geschichte Costa Ricas.

Figueres baut lediglich auf ein Fundament, das sein Vorvorgänger Oscar Arias gelegt hat. Mit einer Bildungsoffensive hatte der bereits in den achtziger Jahren dafür gesorgt, daß selbst öffentliche Schulen in Armenvierteln mit einem Computersaal ausgestattet wurden. Die Schülergeneration von damals ist heute berufstätig. Viele haben an einem Technikum in den USA studiert. Auf dem costaricanischen Arbeitsmarkt, schätzt Figueres, werden in den kommenden Jahren „10.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte nachgefragt werden“. Und er ist sicher, „diese menschlichen Resourcen zur Verfügung stellen zu können“.

Fachleute braucht er allein für ein Projekt mit dem Namen „das virtuelle Klassenzimmer“ für Internet-Unterricht auch im hintersten Winkel des Landes. Das von Microsoft gesponserte Programm soll später in ganz Lateinamerika verkauft werden. Daneben sind inzwischen eine ganze Reihe kleinerer privater Informatik-Unternehmen entstanden. Das Telefonbuch von San José weist sie dutzendweise aus. Die meisten haben sich darauf spezialisiert, englisch geschriebene Programme für lateinamerikanische Kunden zu übersetzen und anzupassen.

In El Salvador ist man von von solchen Zuständen weit entfernt. Bildung ist Privatsache und etwas für reiche Leute. Im Schuljahr 1994/95 gab die Regierung nur knapp 16 Dollar pro Schüler aus, 17 Prozent weniger als im Bürgerkriegsjahr 1990/91. Costa Rica steigerte im selben Zeitraum seine Ausgaben pro Schüler von 75 auf 100 Dollar im Jahr. Orlando Altamirano wird deshalb noch lange davon träumen, El Salvador in einen „strategischen Ort für die Produktion, Montage, Prüfung und Verteilung von elektronischen Produkten zu verwandeln“. Bislang steht nur eine einzige US- amerikanische Elektronikfabrik im Land.