Furcht vor Japans Schwäche wächst

■ Konkurs der ersten Großbank zeigt, daß Japans Bankenkrise nicht vorüber ist. An der Börse springen die Kurse nach oben

Tokio (taz) – Kaum hat sich der Sturm in den südostasiatischen Ländern ein wenig gelegt, zittern die internationalen Finanzplätze vor einer neuen Gefahr: Japans Bankenkrise. Seit gestern ist sie wieder virulent geworden, nachdem die Hokkaido Takushoku Bank (Takugin), Japans zehntgrößte Bank, de facto Konkurs angemeldet hat. Die Großbank mit einem Vermögen von 80 Milliarden Dollar hat derart große Probleme mit unbedienten Immobilienkrediten, daß sie gezwungen ist, ihre Geschäftstätigkeit im Norden des Landes an eine unbedeutende Regionalbank abzutreten.

Die neue Krise im japanischen Bankensektor kommt für das Land zu einem denkbar ungünstigen Moment. Finanzminister Hiroshi Mitsuzuka nahm gestern kein Blatt vor den Mund, als er der erschrockenen Bevölkerung die Hiobsbotschaft verkündete: „Japan muß erneut die Möglichkeit diskutieren, daß der angeschlagene Banksektor nur mit der Infusion von öffentlichen Geldern gerettet werden kann.“ Der Bankrott der Takugin ermögliche es dem Land, „einen instabilen Faktor im Finanzsektor loszuwerden“.

Was für Anleger an der Börse eine frohe Botschaft war, könnte sich für die japanische Wirtschaft – und auch für die Weltwirtschaft – als neuer Dämpfer erweisen. Hans Tietmeyer, Präsident der Deutschen Bundesbank, sagte schon in der vergangenen Woche: „Japan macht mir Sorgen.“ Und Lawrence Summers, stellvertretender US-Finanzminister, glaubt, daß „Japan ernstzunehmenden Finanzproblemen gegenübersteht“.

Wie groß die zumeist hausgemachten Probleme im japanischen Finanzsektor bleiben, beweist die jüngste Pleite der Takugin. Zum Ende des letzten Geschäftsjahres am 31. März wies das Geldhaus notleidende Kredite über 7 Milliarden Dollar aus. Finanzanalysten in Tokio vermuten heute allerdings, daß der Berg von Problemkrediten „das Doppelte oder Dreifache übersteigen könnte“. Im gesamten japanischen Bankensektor lagern nach konservativen Schätzungen über 250 Milliarden Dollar an faulen Krediten. Pessimisten reden von rund 600 Milliarden Dollar, die Anlaß zu einem Schreckensszenario geben.

Die neue Pleite könnte eine Kettenreaktion auslösen und andere größere Banken in den Abgrund reißen. Diese Vermutung wurde vom Finanzministerium flugs zurückgewiesen. Höchstens „eine oder zwei“ regionale Banken könnten kurzfristig unter der Last fauler Kredite zusammenbrechen. Mit 202 Filialen war die 1900 gegründete Takugin das kleinste der zehn größten japanischen Geldhäuser.

Zwar beruhigte das Finanzministerium gestern die Anleger und Sparer. Es sei kein Dominoeffekt zu befürchten, da die Probleme der Takugin seit längerem bekannt gewesen seien. Die Reaktion der Börse auf die Nachricht war, daß die Kurse einen Riesensprung nach oben taten. Rund acht Prozent legte der Nikkei-Index zu und notierte zum Schluß mit einem Gewinn von 1.200 Punkten auf 16.283. Damit hat sich der Nikkei-Index wieder über die wichtige Marke von 16.000 Punkten erholt. Vorübergehend ist damit die Gefahr für andere Großbanken beseitigt, da sie bei diesem Börsenstand wieder über genügend stille Reserven verfügen, um die vorhergesehenen Abschreibungen auf Problemkredite vornehmen zu können. André Kunz