Streit um Ehrenbürger Diehl eskaliert

■ Nach den Aussagen ehemaliger KZ-Häftlinge gehen auch SPD, FDP und IG Metall zum Nürnberger Rüstungsfabrikanten auf Distanz

Nürnberg (taz) – Der Streit in Nürnberg um die Ehrenbürgerwürde für den Rüstungsindustriellen und KZ-Profiteur Karl Diehl eskaliert. Nachdem schon die Grünen beantragt haben, dem 90jährigen wegen „unwürdigen Verhaltens“ die Ehrenbürgerwürde wieder abzuerkennen, gehen nun auch SPD, FDP und IG Metall auf Distanz zu Diehl. Nur die CSU- Mehrheit und ihr Oberbürgermeister Ludwig Scholz sehen auch nach den schweren Vorwürfen, die ehemalige KZ-Häftlingsfrauen gegen die Firmenleitung erhoben haben, noch immer keinerlei Grund, von Diehl abzurücken.

Neun zumeist in Israel lebende ehemalige Zwangsarbeiterinnen, die für Diehl im Außenlager Peterswaldau des KZs Groß-Rosen im Akkord Bombenzünder fertigen mußten, haben, wie berichtet, die Meister der Firma Diehl für Mißhandlungen, Demütigungen und auch Selektionen auf dem Werksgelände direkt verantwortlich gemacht. Ohne entsprechende Direktiven der Firmenleitung hätte dies, so die Aussagen der Frauen, nicht geschehen können.

Während Karl Diehl dazu beharrlich schweigt, wies Firmensprecher Dirk-Michael Zahn die Vorwürfe als „Verunglimpfung der Lebensleistung einer hochverdienten Unternehmerpersönlichkeit“ zurück. Reflexartig sprangen die beiden Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordneten ihm bei. Ohne mit nur einem Satz inhaltlich auf die ehemaligen Häftlingsfrauen einzugehen, sprach Dagmar Wöhrl von einer „infamen“ Kampagne, Renate Blank gar von „klassenkämpferischen und haltlosen Vorwürfen“.

Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde und SPD- Stadtrat Arno Hamburger warf daraufhin Blank vor, mit ihrer Erklärung die jüdischen Zeitzeuginnen „direkt der Lüge“ zu bezichtigen. Damit schade sie dem „Ansehen der Stadt und der gesamten Bundesrepublik erheblich“. Diehl sei für ihn „nicht zu Recht Ehrenbürger“. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. SPD-Fraktionschef Jürgen Fischer will eine „Untersuchung der Vorwürfe“, sein FDP- Kollege Utz Ulrich fordert die Firma auf, „ihre Archive offenzulegen“. Und auch die IG Metall, die ursprünglich Karl Diehl wegen seiner arbeitsplatzschonenden Rüstungskonversion zum Ehrenbürger vorgeschlagen hatte, geht auf Distanz. Diehl habe die „Chance zur Aufklärung verpaßt“, sagte Nürnbergs IG-Metall-Chef.

Im Gegensatz dazu sieht die Stadtspitze immer noch – wie Presseamtschef Wolfgang Stöckel betont – „keinerlei Handlungsbedarf“. Doch inzwischen grübelt so mancher CSU-Stadtrat, ob es nicht die eleganteste Lösung wäre, wenn Diehl seine Auszeichnung von sich aus zurückgibt, Überlegungen, die Diehl-Sprecher Zahn immerhin als „möglich“ bezeichnete. Bernd Siegler