Massaker an Touristen vor den Tempeln von Luxor

■ Sieben Attentäter überfallen Reisebusse in Oberägypten. Sie ermorden 57 Reisende und verletzen 24. Die Region ist eine Hochburg militanter Islamisten

Kairo (taz) – Im südägyptischen Luxor haben gestern Bewaffnete ein Massaker unter Touristen angerichtet. Nach Angaben aus dem ägyptischen Innenministerium forderte eine Schießerei vor dem berühmten Tempel der Königin Hatschepsut rund 500 Kilometer südlich von Kairo 66 Tote und 24 Verletzte. 57 der Toten seien Touristen, drei Sicherheitsbeamte und sechs Attentäter, hieß es gestern. Unter den Toten befänden sich größenteils Deutsche und Japaner. Andere Quellen sprachen auch von österreichischen, schweizerischen und belgischen Opfern. Die deutsche Botschaft schickte gestern fünf ihrer Mitarbeiter nach Luxor, um diese Angaben zu überprüfen.

Der Überfall hatte am Morgen am westlichen Nilufer begonnen. Nach Berichten der ägyptischen Behörden versuchten sieben mit Maschinenpistolen bewaffnete Attentäter, einen Touristenbus zu entführen. Mitarbeiter des Deutschen Archäologischen Instituts, das unmittelbar neben dem Tempel eine Ausgrabung durchführt, waren Zeugen der Schießerei. Laut dem dortigen Grabungsleiter Daniel Polz sollen Taxis die blutüberströmten Opfer in nahe gelegene Krankenhäuser gebracht haben. Ein als Tourist nach Luxor gereister österreichischer Journalist berichtete, ein Touristenführer habe die ersten Schüsse als „Familienfehde“ oder „Taubenjagd“ abgetan. Dann hätten sich jedoch die ersten Urlauber in einer Grabkammer zu Boden geworfen.

Laut Angaben der ägyptischen Sicherheitskräfte wurden sechs der Attentäter nach einer wilden Verfolgungsjagd und einer erneuten Schießerei gestellt und erschossen. Einem siebten Attentäter sei die Flucht gelungen. Bis gestern abend hatte sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Ägyptens Fernsehen beschrieb die Attentäter als „terroristische Elemente“, eine Bezeichnung, die normalerweise für militante Islamisten verwendet wird.

Neben den Pyramiden in Kairo ist Luxor mit dem Tal der Könige, dem Tempel von Karnak und dem Tempel der Hatschepsut die bedeutendste Besucherattraktion des Landes. Von den vier Millionen Ägyptenreisenden, die das Land letztes Jahr zählte, dürften die meisten die pharaonischen Baudenkmäler in Luxor besucht haben. Mit dem gestrigen Anschlag wurde damit das erste Mal das Herz des ägyptischen Tourismus getroffen. Nicht zuletzt aufgrund der starken Polizeipräsenz in der Kleinstadt und ihrer Umgebung ist der Ort bisher von derartigen Anschläge verschont geblieben und galt allgemein als sicher.

Erst vor zwei Monaten waren bei einem Anschlag auf einen deutschen Reisebus in der Hauptstadt Kairo neun deutsche Touristen und ihr ägyptischer Fahrer ums Leben gekommen. Zwei der Attentäter waren bereits vor zwei Wochen zum Tode verurteilt worden. Zu dem damaligen Anschlag hatte sich bisher allerdings keine der militanten islamistischen Gruppen im Land bekannt.

Teile des südlichen Oberägypten haben sich in den letzten sechs Jahren zum Hauptschauplatz eines Kleinkriegs zwischen der Regierung und den Gamaat al- Islamia, den Islamischen Gruppen entwickelt. Über 1.100 Tote hat diese Auseinandersetzung mittlerweile gefordert, meist militante Islamisten und Polizisten. Falls die Islamischen Gruppen hinter dem Anschlag stehen sollten, könnte es sich bei dem Attentat um eine Racheaktion für mehrere Massenprozesse gegen deren Mitglieder in Kairo handeln. In den letzten Monaten hatten Militärgerichte Dutzende von Mitgliedern der Gruppen in Schnellverfahren zu Todes- oder langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Islamischen Gruppen waren in den siebziger Jahren mit der ausdrücklichen Genehmigung des damaligen Präsidenten Anwar as-Sadat gegründet worden – als Gegengewicht zu panarabischen Nasseristen und Linken. 1981 ließ Sadat die Organisation wieder verbieten. Kurz darauf wurde er von Islamisten erschossen.

Um Touristen ins Land zu locken, hatte die ägyptische Regierung noch im letzten Monat in Luxor unter großem Sicherheitsaufwand die Oper „Aida“ aufführen lassen. Trotz des Anschlags auf den deutschen Reisebus wenige Wochen zuvor waren die Veranstaltungen gut besucht. Reiseunternehmen sprachen nach dem letzten Anschlag von überraschend wenig Stornierungen im Ägyptengeschäft. Karim El-Gawhary

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