■ Nützlich und für jeden Haushalt: Das „Lexikon der Tiere“
: Applaus, Applaus!

Daß die Tiere in Wahrheit vom Menschen abstammen (statt irgendwie umgekehrt, was wir ja eigentlich sowieso nie geglaubt haben), ist sicherlich die grundlegendste Belehrung, die man aus der Lektüre des „Lexikons berühmter Tiere“ gewinnen kann. Hier werden bedeutende Tierpersönlichkeiten in großer Ernsthaftigkeit mit ihren wichtigsten Zitaten („Applaus, Applaus!“) und ihren einschlägigen Kleidungsstücken („ein grüner, gezackter Kragen“) vorgestellt, wie nur je in einem „Who's Who“ aus Showbusineß und Gesellschaft. Die halbherzigen Gattungsbezeichnungen („Klappmäuler“) können uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir es beinahe stets mit humanoiden Existenzen zu tun haben.

Ein Nachschlagewerk soll handliche Informationen bieten. Wer noch einmal rasch nachlesen möchte, wann der Erdalfrosch auf die Dose hüpfte, wie Donald Duck zu seinen Neffen kam, ob sich Fritz Thiedemann mit seinem Rekordpferd Meteor eigentlich verstanden hat oder seit wann es Lakritzkatzen gibt, wird hier gut bedient. Wer wüßte schon auf Anhieb zu sagen, daß E.T.A. Hoffmanns eitler, literarischer Kater Murr ein grundlegendes Werk über „Gedanke und Ahnung und Kater und Hund“ verfaßt hat? Auch Urmels erste Worte sind in diesem Lexikon rasch erblättert. Falls man sie mal braucht.

Noch besser hat es aber die Leserin, die sich festliest, den Verweisen folgt, immer neue Schätze (wieder-)entdeckt und allmählich ins Kindesalter regrediert. Sie kann aus einem liebevoll und gründlich zusammengestellten Kommpendium längst heimgegangener und zeitgenössischer, realer wie fiktiver Berühmtheiten schöpfen. Plötzlich erinnert man sich wieder an „Lurchis Abenteuer“ aus dem Schuhgeschäft und an Petzi, Pelle und Pingo. Selbst der unselige Mecki aus der Fernsehzeitschrift Hör zu, wohl der Oberspießer unter den Comictieren, gewinnt neue Kontur. Auch Enttäuschendes erfährt die Leserin, so daß sie während der Lektüre allmählich wieder erwachsen werden muß: Zum Beispiel wurde der Terrier „Mr. Asta“ aus den Thin-Man- Filmen, heimlicher Held zwischen Myrna Loy und William Powell, von lauter verschiedenen Hunden gespielt. Nun ja, Hunde sind schließlich auch bloß Menschen und können in ihren Greisenjahren keine Salti mehr schlagen.

Wahre Größe und Humanität wie bei der Muminmutter („Setz dich auf den Teppich und schlecke den Kuchenteller aus, lieber Freund“) findet man bekanntlich unter Menschen nur selten. Jedoch: Können die Mumins wirklich als Tiere gelten? „Sie sehen aus wie winzig-kleine weiße Nilpferde, sind aber Trolle“, weiß das Lexikon. In der großzügigen Erfassung von Grenzfällen liegt eine Stärke des Werks, denn hier kann man etwas über den Menschen und seine Beziehung zum Tier lernen. Panter, Tiger und Co? Sicherlich die Pseudonyme Tucholskys. Aber auch Namen für deutsche Kriegsschiffe seit Kaisers Zeiten, wie übrigens Albatros, Brummer und Frettchen ebenfalls. Deutsche Panzer? Tiger, Panther & Co, auch Marder und Luchs. Warum nennt man die Kettenfahrzeuge nicht Erwin und Hermann, statt mit ihrer Taufe ehrliche Großkatzen zu beleidigen? Deutsche Autos? Käfer und Manta, während es bei den Amerikanern immerhin zum Mustang langt. Deutsche Teenager heißen immer noch Backfische; ihnen wurde folgerichtig ebenfalls ein Artikel gewidmet.

Auch die Fabeltiere von Fafnir bis zum Marsupilami kommen im Lexikon nicht zu kurz. Und natürlich haben Fury und Flipper eigene Artikel. Noch nicht berühmt genug dagegen ist das Waldkaribu; und der Filmleopard Baby, der in „Leoparden küßt man nicht“ Katharine Hepburn und Cary Grant zum Singen brachte, wird wohl ebenfalls auf die zweite Auflage warten müssen, um hinreichend gewürdigt zu werden. Dennoch: ein umfassendes und beeindruckendes Nachschlagewerk, das in keinem Haushalt fehlen sollte. Susanne Fischer

Karen Duve/Thies Völker: „Lexikon berühmter Tiere. 1.200 Tiere aus Geschichte, Film, Märchen, Literatur und Mythologie“. Eichborn Verlag, 672 Seiten, 44 DM