Befreiung kommt durch Widerstand

■ betr.: „Befreiung der Hamsterin nen“, taz vom 1./2.11. 97

Ute Scheub hat recht: Opferfeminismus nutzt am meisten den Tätern und der (Frauen-)Beauftragten – Feminismus führt in die Sackgasse. Was bleibt also?

In der Bundesrepublik gibt es verschiedene Feminismussparten. Da ist der Projektefeminismus: Stetig, fleißig, sehr sachbezogen wird meistens vor Ort sehr oft auf ABM-Basis Sozial- oder Kraftarbeit geleistet. Es wäre schlimm, wenn es diesen Feminismus nicht gebe. Daß es allerdings auch hoffnungsvollen Organisationen, wie beispielsweise dem Unabhängigen Frauenverband (UFV), nicht gelungen ist, über den Stand eines Projektes hinauszuwachsen, ist schade.

Dann haben wir noch den Alibi- Karrierefeminismus, zu dem nur wenige Frauen gezählt werden können, weil die Politpatriarchen in diesem Land so tief in ihren Sesseln sitzen, daß sie es gar nicht nötig haben, sich mit Hilfe besonders vieler Alibifrauen reinzuwaschen.

Nicht zu vergessen sind auch der Mea-culpa-Feminismus und die Esoterikerinnen. Weiße Mittelstandsfrauen (einschließlich der Millionen 610-DM-Frauen?) sollen sich auf die Brust klopfen und zunächst die Täterinnen in sich selbst ausfindig machen, anstatt sich um das eigene Glück oder Unglück zu scheren. Hier hat Tina Thürmer-Rohr unrecht, was an anderer Stelle noch ausführlich zu diskutieren wäre. Ihren Widerwillen gegenüber den Esoterikerinnen teile ich allerdings, weswegen ich für diese sehr große Sparte des Feminismus auch keine weiteren Zeilen verwenden will.

Mit wem verbündet sich also die Hamsterin auf dem Weg zu ihrer Befreiung?

Befreiung kommt durch Widerstand, und Widerstand braucht Organisation. Wäre der UFV 1991 nicht in den Projektestand zurückgefallen, sondern Partei geworden, dann hätten wir bereits das notwendige politische Instrument.

Es ginge aber auch mit überparteilichen Organisationen oder mit Frauenorganisationen innerhalb bestehender Parteien, wenn...

Da gibt es zum Beispiel den „Deutschen Frauenrat“, der sich damit rühmt, elf Millionen Mitfrauen zu haben, in der Politik dieses Landes aber keinerlei Rolle spielt. Warum verabschieden sich SPD- und Gewerkschaftsfrauen nicht von diesem lahmen Roller, in dem nix ohne die Zustimmung von CDU und Kirchen geht, und gründen eine schlagfertige, feministische Alternative? Sechs Millionen Mitfrauen in einem Alternativen Frauenrat wählen auch dann eine phantastische und von niemandem zu ignorierende Kraft, wenn nicht alle Positionen astrein und so feministisch wären, wie ich mir das vorstelle. Zum Beispiel hätte so ein Frauenrat die Parole ausgeben können, „es werden keine PolitikerInnen mehr gewählt, die sich nicht persönlich gegen die Aufhebung des Rentenalters bei Frauen einsetzen“. Das hätte mit der Macht und der Power, die so eine Organisation entfalten kann, Sinn gemacht und Wirkung gehabt.

Oder die ASF: Einmal ungehorsam sein. Einmal „Nein“ sagen und zum Beispiel kundtun, daß 1998 keine Infostände gemacht werden und kein Kuchen gebacken, wenn in der Baracke oder im Willy- Brandt-Haus oder in irgendeiner SPD-geführten Kommune Reinemache-Konzerne anstatt Einzelputzfrauen beschäftigt werden. Das wäre schön. Das hätte Wirkung, und zwar schnell.

Über die Grünen muß hier nicht viel gesagt werden. Die Frauen dort haben es versäumt, eigene innerparteiliche Frauenorganisationen aufzubauen. Sie haben noch nicht einmal so etwas wie die ASF, und ihre Oberen haben sich längst von Frauenpolitik verabscheidet.

Gab's da nicht noch was? Ja. Da gibt es noch die kleine Feministische Partei Die Frauen. Innerhalb von zweieinhalb Jahren konnte sie 1.000 Mitfrauen gewinnen, was angesichts dessen, daß die Grünen im selben Zeitraum nur 1.400 Frauen dazu bekamen, viel ist.

Zirka einhundert dieser Frauen haben sich aber ein ganzes Jahr lang mit Struktur- und Personalfragen zerfleischt und einen Teil der eigenen Infrastruktur just vor Beginn des Wahlkampfes selbst zerschlagen. 900 weitere Frauen haben dazu geschwiegen. Jetzt muß diese Partei zunächst einmal ihre Wunden lecken. Sie ist dennoch ein Hoffnungsschimmer am feministischen Himmel, zumal die anderen hier angesprochenen Organisationen die erteilten Anregungen wahrscheinlich nicht aufgreifen werden. Jutta Oesterle-Schwerin, Bonn