„In Hessen so üblich“

■ Finanzminister Starzacher findet trotz des Ermittlungsverfahrens alles Rechtens

Frankfurt/Main (taz) – Eine Hausdurchsuchung bei Herrn X steht auf Veranlassung einer Staatsanwaltschaft in Hessen auf dem Dienstplan der Polizei: Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung mit den Herren Y und Z. Noch bevor die Beamten ausrücken, ruft Justizminister Rupert von Plottnitz (Grüne) bei X an: „In zwei Stunden kommen Polizei und Staatsanwaltschaft zur Hausdurchsuchung vorbei. Legen Sie den Vereingungsvertrag offen auf den Küchentisch, und werfen Sie schon mal die Kaffeemaschine an.“ Ein böser Scherz.

Hausdurchsuchungen bei zwei Sparkassen standen auf Veranlassung von zwei Staatsanwaltschaften in Hessen auf den Dienstplänen der Polizei: Verdacht auf Steuerhinterziehung durch Kunden der Sparkassen in Schlüchtern und Bad Homburg. Noch bevor die Beamten ausrücken, rufen die Steuerfahnder von Finanzminister Karl Starzacher (SPD) bei den beiden Geldinstituten an: „Morgen werden Ihre Geschäftsräume durchsucht. Legen Sie alle Akten auf die Tische, und werfen Sie schon mal die Kaffeemaschine an.“ Kein böser Scherz, sondern „durchaus üblich“, findet Finanzminister Starzacher.

Gegen den Finanzminister läuft inzwischen ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Wiesbaden: Verdacht auf Strafvereitelung im Amt und Anstiftung zur Urkundenunterdrückung.

Was für Starzacher „auch in anderen Bundesländern durchaus üblich“ ist, hält Oberstaatsanwalt Wolfgang Greth für „etwas unüblich“. Und in wenigstens einem anderen Bundesland, im benachbarten Rheinland-Pfalz, ist das hessische Landesrecht der vorangekündigten Hausdurchsuchungen „völlig unüblich“. Selbstverständlich werde weder eine Bank noch eine Sparkasse vorab von einer bevorstehenden Durchsuchung informiert, sagte die Pressereferentin im Finanzministerium von Rheinland-Pfalz, Agnes Neureiter. Auch dann nicht, wenn sich eine Aktion ausschließlich gegen die Kunden einer Bank oder Sparkasse richten sollte. Wenn die zuständige Staatsanwaltschaft eine solche Durchsuchung für notwendig erachte, erfahre das noch nicht einmal der Minister.

Starzacher hielt (sich) dagegen auch gestern noch an seiner Rechtsauffassung fest, wonach die Ankündigungen der Durchsuchungen legal gewesen seien. Die Ermittlungen hätten sich nicht gegen die Kreditinstitute selbst gerichtet, sondern nur gegen deren Kundschaft. Daß die Banken bei der Hinterziehung von Steuern in der Regel die Komplizen ihrer Kunden sind, weiß man im Rheinland, aber nicht in Hessen – trotz der vielen Banken und Sparkassen dort. Oder gerade wegen der vielen Banken und Sparkassen?

Und gab es in Hessen vielleicht auch noch Verfahrensabsprachen zwischen den Starzacherschen Steuerfahndern und den Steuerhinterziehern? Diese Frage stellte gestern die CDU, und sie verlangte „schnellstmögliche Aufklärung“. Klaus-Peter Klingelschmitt